"Schlimmer" als die DDR? Mitri Sirin kann nicht fassen, was er in Sachsen über Meinungsfreiheit hört
Autor: teleschau - Jens Szameit
, Donnerstag, 02. Oktober 2025
"Ist unsere Meinungsfreiheit in Gefahr?" Immerhin dazu darf bei Mitri Sirin jeder und jede eine Meinung kundtun. Die ZDF-Feiertagsreportage bewegt sich unerschrocken zwischen Z-Schnitzel, Trumpismus und DDR-Verklärung. Da wird Fernsehen zur ultimativen Toleranzprobe.
Über 40 Prozent der Deutschen trauen sich nicht mehr, ihre politische Meinung zu äußern - im Osten sind es sogar 47 Prozent. Mit dieser bitteren Umfrage im Gepäck geht man als ZDF-Reporter am besten wohin? Na klar, in den Osten! In Döbeln in Sachsen muss Mitri Sirin nicht lange suchen, um Menschen zu finden, die seiner "Am Puls"-Reportage mit dem Titel "Ist unsere Meinungsfreiheit in Gefahr?" die ersten Punchlines liefern.
Willkommen fühlt sich Sirin als bekanntes ZDF-Gesicht in Döbeln zwar nicht. Dann aber bleiben ein Mann und eine Frau bei ihm stehen und lassen sich ein auf ein Gespräch darüber, warum sich so viele nicht mehr frei fühlen. "Wenn man anders denkt, so wie wir - weil uns kann man nicht mehr für dumm verkaufen -, dann heißt es, man ist rechtsradikal. In die Schiene lass ich mich nicht reinstecken", bekommt der Journalist von der Dame zu hören.
Passantin in Sachsen beschwert sich: "Sozialer Ausschluss, das geht bei Facebook los!"
Andere in eine "Schiene reinstecken" geht aber offenbar schon. "Die CDU, SPD, die Grünen wählen, das ist dasselbe Gelumpe! Die Sch... kannten wir schon, die wir jetzt haben", lässt ihr Begleiter wissen. Dass der Passant das wiedervereinte Deutschland sogar "schlimmer" als die DDR findet, kann Sirin nicht fassen: "Sie konnten ihre Meinung nicht frei äußern!" Nur wenn man "ganz krass staatsfeindlich war", sei man "weggesperrt worden", wirft die Frau ein.
Eine Seniorin mischt sich ein und tut kund, dass sie die DDR keinesfalls wiederhaben wolle, aber sie kommt nur schwer zu Wort. Denn eine weitere Passantin hat sich hinzugesellt. Sie beschwert sich, dass sie schon oft bei Facebook gesperrt worden sei, "obwohl ich meine Worte wirklich gut wähle". Sirin kommt das komisch vor: "Wenn das nicht justiziabel ist, warum werden sie gesperrt?" Die Antwort löst seine Irritation nicht wirklich: "Man darf alles sagen, das ist richtig, aber man wird gemaßregelt. Sozialer Ausschluss, das geht bei Facebook los!" Sie sei nicht 1989 auf die Straße gegangen, um wieder dahin zu kommen, dass es heiße: "Du hast schön den Mund zu halten!"
Puh! Man kann wirklich nicht sagen, die Filmemacher hätten ihr Thema aus der Luft gegriffen. Und natürlich brennt es nicht nur den Ostdeutschen auf der Seele.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann hält einsamen Rekord
In Bochum trifft der ZDF-Journalist an der Currywurstbude einen Rentner namens Ulrich. Der VfL-Fan und ehemalige Krankenpfleger beschwert sich über neue Sprechvorschriften und liefert ungewollt eine schöne Kostprobe für das Auseinanderklaffen zwischen gemeint und gesagt: "Selbst im Fußball hatten wir Männer, die Männer geliebt haben - na und, shit happens!" Die Aussage will Ulrich als Bekenntnis zu gelebter Diversität verstanden wissen. Was er nicht versteht: warum er nicht mehr reden darf, "wie ich konditioniert bin vom Leben", und dann fällt natürlich schon bald das Wort von der Schnitzelspezialität.
Einen, der ein "Z-Schnitzel" bestellt, würde er selbstverständlich sofort belehren, bekräftigt ein weiterer verblüffend selbstbewusster Gesprächspartner der Doku, der angehende Orchestermusiker Noah, Ex-AfD-Anhänger und inzwischen Mitglied bei den Grünen. Was es nicht alles für Meinungskarrieren gibt in Deutschland!