"Richard, bitte!" Bei Merkels "Wir schaffen das" geraten Lanz und Precht aneinander
Autor: Teleschau
, Freitag, 05. Sept. 2025
Zehn Jahre "Wir schaffen das" - Angela Merkels berühmtester Satz wühlt auch Markus Lanz und Richard David Precht noch heute auf. Im aktuellen "Lanz und Precht"-Podcast geraten sie kurz aneinander - ehe der ZDF-Talker "das ganze Dilemma deutscher Flüchtlingspolitik" in eine Anekdote gießt.
Es ist der Satz, der ihre Kanzlerschaft überdauert und geprägt hat wie kein zweiter: Vor zehn Jahren, auf dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise, richtete Angela Merkel die drei folgenreichen Worte "Wir schaffen das" an die Nation. Das Jubiläum des berühmten Zitats nahmen nun auch Markus Lanz und Richard David Precht zum Anlass einer kritischen Rückschau und Bestandsaufnahme in Sachen deutscher Migrations- und Integrationspolitik. Dabei wurde es zwischen den Podcast-Partnern kurz ungewohnt hitzig.
Precht erinnerte bei "Lanz und Precht" zunächst an die zeitgeschichtlichen Umstände des Ausspruchs. Kurz zuvor hatte Merkel in einem Bürgerdialog im Fernsehen die Sorgen eines geflüchteten Mädchens allzu schroff abgekanzelt, wie ihr vorgeworfen wurde. "Angela Merkel war das unfassbar peinlich", glaubt Precht.
Ihr sei damals das Image als "Mutti der Nation" um die Ohren geflogen. Denn in der gesamten deutschen Medienlandschaft, "einschließlich der 'Bild'-Zeitung", habe die Überzeugung vorgeherrscht, Deutschland habe die Pflicht, Schutzsuchenden Hilfe anzubieten. Die "Willkommenskultur" sei auch gesellschaftlich weit verbreitet gewesen.
"Intellektuell war das gar nix": Precht wettert gegen Merkels "Kindergarten-Ansprachen"
"Offensichtlich war Merkel in der Fernsehsendung der festen Überzeugung, wir schaffen das nicht. Nachdem sie massiv unter Kritik geraten ist, korrigiert sie sich in dem Punkt", fasste Precht den Sinneswandel der Bundeskanzlerin zusammen. Dabei unterstellte der TV-Philosoph, der Satz "Wir schaffen das" sei "aus der Hüfte geschossen" gewesen und ein Beispiel für Merkels "Kindergarten-Ansprachen". Precht wetterte im Podcast: "Intellektuell war das gar nix. Eigentlich eine in dieser Form belanglose Aussage, die einfach so ein bisschen Mut machen wollte."
"Ich seh das wirklich ganz anders", kommentierte Markus Lanz die Ausführungen - was Precht umgehend mit einer sarkastischen Widerrede quittierte: "Da bin ich gespannt! Jetzt kannst du sagen, dass es eine große, bewusste Rede war, und dann darfst du mir auch sagen, (...) dass sie vorher mit all den Oberbürgermeistern und Landräten in den Kommunen, auf die die Arbeit zukommen würde, geredet hat, und die haben ihr alle Mut zugesprochen."
"Das trieft vor Ironie", erkannte Lanz und warb um Mäßigung: "Richard, bitte, lass uns mal bitte ein bisschen fair sein!" Die frühere Bundeskanzlerin sei "jemand, der intellektuell etwas drauf hat", verteidigte der ZDF-Talker die frühere CDU-Chefin. Dass eine Regierungschefin "ein bisschen Empathie" durchblicken ließ, wolle er ihr überdies nicht als "billige Rhetorik" auslegen.
Markus Lanz illustriert "das ganze Dilemma deutscher Flüchtlingspolitik"
Ein Versäumnis sei es jedoch gewesen, dass Merkel nie ausbuchstabiert habe, wie die Bewältigung der Integrationsherausforderungen zu schaffen sei. Es habe keinen Plan gegeben. Die Regierung habe das "Schaffen-Müssen einfach an die Bürger ausgelagert", berief sich Lanz auf eine aktuelle Analyse des "Zeit"-Journalisten Martin Machowecz. Die Bürger hätten geholfen, bis sie nicht mehr konnten. Hätte man damals Bedenken geäußert, sei die "Rassismus-Keule" gekommen. Das zusammen sei die perfekte Wiederbelebungsmaßnahme für eine damals bei drei Prozent Zustimmung stehende AfD gewesen.