Nächstenliebe oder Missachtung des Rechtsstaates?
Autor: teleschau - Susanne Bald
, Mittwoch, 06. August 2025
Seit 2017 ermöglicht die Bremer Pastorin Anja in ihrer Gemeinde Kirchenasyl. Dadurch gerät sie zunehmend in die Kritik und unter Druck. Sie sieht es als ihre christliche Pflicht, Menschen in Not zu helfen, und versucht, Nächstenliebe zu praktizieren, ohne das Gesetz zu brechen - ein Balanceakt.
Die meisten kennen es wohl nur aus dem Fernsehen, aus Krimis oder Dramen: Flüchtende, die in einer Kirche oder anderen kirchlichen Einrichtung Zuflucht suchen - Stichwort "Kirchenasyl". Eine humanitäre Maßnahme in Härtefällen, die Flüchtenden nicht etwa dauerhaften Aufenthalt garantiert, ihnen aber Zeit verschafft, um die jeweilige Situation zu klären und Lösungen für Asylverfahren zu finden. So "einfach" wie im Fernsehen ist es aber nicht - rein in die Kirche und Türe zu, dann kann der Staat einem nichts mehr anhaben. Kirchenasyl "ist ein Privileg, kein (verbrieftes) Recht", heißt es in der ARD-Ankündigung der Doku "Echtes Leben: Unter Druck - Pastorin Anja und das Kirchenasyl".
Das heißt: Der Staat duldet es in der Regel, hat aber per Polizei oder Staatsanwaltschaft Zugriff auf Menschen im Kirchenasyl. In den letzten Jahren nahm die Zahl der Kirchenasyle in Deutschland zu. Allein im Januar und Februar 2025 erhielten es mehr als 500 Menschen.
Die Pastorin Anja und ihre kleine evangelisch-freikirchliche Gemeinde in Bremen entschieden sich 2017, Kirchenasyl zu ermöglichen. Ein schwieriges Unterfangen bis heute, acht Jahre später. Anja ist die Protagonistin in Yannick Lowins Dokumentation "Pastorin Anja und das Kirchenasyl" aus der Reihe "Echtes Leben", die am späten Mittwochabend im Ersten ausgestrahlt wird.
Befürworter und Gegner des Kirchenasyls
Während die einen, wie Anja, das Gewähren von Kirchenasyl als einen Akt von Nächstenliebe verstehen, sehen Kritiker es als Missachtung und Untergrabung des Rechtsstaates. Die Toleranz des Staates schwindet - zumal Asylsuchende seit 2013 beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag gegen einen Abschiebungsbescheid stellen und so, wie beim Kirchenasyl, eine Ausweisung aufschieben können.
Damit steigt der Druck nicht nur auf die Asylsuchenden, sondern auch auf Menschen wie Pastorin Anja, die zwar helfen, aber dabei nicht das Recht brechen möchten. Und der Druck kommt nicht nur vonseiten der Politik. Dieses Dilemma zeigt der Beitrag von Radio Bremen, WDR und SWR deutlich auf.
Was bedeutet ein Leben im Kirchenasyl für Betroffene und Helfende?
Vorgestellt werden in dem Beitrag neben der Bremer Pastorin auch weitere engagierte Helferinnen und Helfer, die sich etwa um die Unterkünfte der Menschen im Kirchenasyl kümmern, um ihre Versorgung, um Betreuung - ein immenser Aufwand. Zu Wort kommen aber auch Menschen wie Arash. Heute ist er Hausmeister der kleinen Gemeinde, vor wenigen Jahren war er hier selbst im Kirchenasyl.
Was genau das wiederum bedeutet, fängt das Fernsehteam ebenfalls ein. Wie sieht das Leben im Kirchenasyl aus, auf eingeschränktem Raum, mit der Angst vor Abschiebung? Einer von ihnen ist Aziz. Er möchte in Deutschland bleiben, lernt dabei jeden Tag mehrere Stunden Deutsch, in der Hoffnung auf Asyl und Integration.