Heftiger Streit zwischen Spahn und Reichinnek: "Nicht die Zeit, Steuern zu erhöhen!"
Autor: teleschau - Doris Neubauer
Deutschland, Freitag, 12. Sept. 2025
In den Sozialkassen Deutschlands klaffen Löcher in Millionenhöhe: Können sie durch die Kürzung des Bürgergelds wirklich gestopft werden? Darüber entbrannte bei Maybrit Illner am Donnerstagabend eine heftige Diskussion - besonders zwischen Heidi Reichinnek und Jens Spahn.
Wenn Heidi Reichinnek (Linken-Fraktionsvorsitzende) und CDU-Politiker Jens Spahn aufeinandertreffen, ist eine hitzige Debatte vorprogrammiert. Erst recht, wenn es um Themen wie das deutsche Sozialsystem geht. Tatsächlich ließ der Clash bei der ersten Sendung von "Maybrit Illner" nach der Sommerpause zur Frage: "Wer rettet den Sozialstaat?" nicht lange auf sich warten.
Schon in der Eröffnungsrunde zeigte sich, dass nicht nur bei Pflege- und Krankenkassen, bei Arbeitslosenversicherung und Rente Milliardenlöcher in den Kassen klaffen. Tief sind auch die Gräben zwischen den beiden Parteien: "Wir brauchen Wachstum, um uns das Sozialsystem leisten zu können", argumentierte Jens Spahn. Um die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, habe die Regierung bei den Steuern begonnen. Im nächsten Schritt wolle man Energiekosten senken und Bürokratie abbauen.
Reichinnek wirft Spahn vor: "Sie suchen Sündenböcke"
"Die Diskussion, dass wir uns das Sozialsystem nicht leisten können, stimmt nicht", widersprach die Linke-Politikerin prompt, "wir können uns soziale Ungerechtigkeit nicht leisten." Die Bundesregierung würde mit den angekündigten Reformen auf dem Rücken derer sparen, die am wenigsten haben. "Jetzt geht es los", entfuhr es Reichinnek, als der Unionsvorsitzende aufs Bürgergeld zu sprechen kam. In diesem Bereich hatte Bundeskanzler Merz Kürzungen von zehn Prozent und damit jährlich rund fünf Milliarden Euro gefordert.
"Wer arbeiten kann, aber einen Job nicht annimmt, gehört nicht zu den Schwächsten", argumentierte Spahn auf der Linie seines Parteichefs. "Das kennen wir schon", ließ sich Reichinnek davon nicht beeindrucken. Es sei faszinierend, dass sich Spahn an wenigen Personen aufreibe. Sie wünsche sich eine ähnliche Leidenschaft für bessere Kita-Bedingungen und andere unterstützende Maßnahmen.
Statt Scheindebatten über Kürzungen zu führen, sei es sinnvoller, den Mindestlohn zu erhöhen oder die Erbschaftssteuer einzuführen, warf sie ihm vor, sich nicht um die Menschen zu kümmern. Vom Kürzen des Bürgergelds habe niemand etwas. Doch, Gerechtigkeit - war Spahn anderer Meinung. "Da kann ich mir viel für kaufen", konterte Reichinnek zynisch und warf ihm vor: "Sie suchen Sündenböcke, ich suche Lösungen!" Weiter polterte sie, wenn die Menschen von Kürzungen des Bürgergelds bei Wenigen "keinen Cent mehr haben, warum sind Sie gegen den Mindestlohn, der armutsfest ist. Das hätte den Menschen konkret geholfen. Dann wäre die Stimmung auch besser."
Spardebatte oder Frage der Gerechtigkeit? Reichinnek und Spahn sind uneins
Das letzte Wort war in dieser Diskussion damit aber längst nicht gefallen: Es sei "zuallererst eine Frage der Gerechtigkeit", konnte Spahn endlich doch noch "zwei Sätze am Stück sagen". Das Bürgergeld bringe im Land den größten Vertrauensverlust, unter anderem weil die Hälfte der Empfänger nicht deutsche Bürger seien - und dieses "Gerechtigkeitsempfinden, das kann man Wegreden oder Adressieren." Deshalb plädiere er dafür, Anreize richtig zu setzen, Sanktionsregime einzuführen und gegen den sozialen Missbrauch des Systems anzugehen. Kurz: Es sei weniger eine Spardebatte, sondern es gehe um Gerechtigkeit.
"Wo Missbrauch stattfindet, muss er adressiert werden", sprang Ökonom Jens Südekum Spahn zur Seite. Beim Einsparungspotenzial durch Kürzungen in diesem Bereich müsse man aber die Erwartungen dämpfen. Von den derzeit 5.5 Millionen erwachsenen Bürgergeldempfängern befinden sich die Hälfte bereits in Ausbildung oder Arbeit. Wollen sie mehr arbeiten, dann werde das vom Bürgergeld abgerechnet und dann bleibe von "1 Euro brutto mehr netto nichts übrig".