"Für ihn nicht verantwortlich": ZDF-Doku zeigt, wie der "Todespfleger" das Leben seiner Eltern zerstörte
Autor: teleschau - Friederike Hilz
, Mittwoch, 17. Sept. 2025
Wie geht man damit um, wenn der eigene Sohn ein Serienmörder ist? In "Jenseits von Schuld" geben Ulla und Didi Högel, die Eltern des "Todespflegers" Niels Högel, intime Einblicke in einen zerrütteten Alltag, in dem sie sich immer wieder fragen: Warum?
Ulla und Didi Högel sitzen am Strand und schreiben eine Postkarte an ihren Sohn Niels, während ihnen der Wind die Haare zerzaust - eine scheinbar idyllische und alltägliche Situation. Doch der Schein trügt, denn ihr Brief wird in einem Gefängnis landen.
Dort sitzt Niels Högel seit seiner Verurteilung wegen Mordes in 85 Fällen. Für den ZDF-Film "Jenseits von Schuld" begleiteten die Filmemacherinnen Katharina Köster und Katrin Nemec Ulla und Didi sechs Jahre lang bei dem Versuch, weiterzuleben, und eine Antwort auf die Frage zu finden, ob die Liebe einer Mutter und eines Vaters Grenzen hat.
Schon früh wusste Niels Högel: Er will Krankenpfleger werden, genau wie sein Vater. Dass sein Traum zum Albtraum seiner Patientinnen und Patienten werden würde, ahnte niemand. Er spritzte ihnen Medikamente, um sie anschließend reanimieren zu können und als Held dazustehen. Das erste Mal stand er deshalb 2005 wegen versuchten Totschlags vor Gericht. 2015 und 2019 folgten dann Verurteilungen wegen Mordes bei Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.
Ulla erinnert sich noch genau an den Moment, als sie das erste Mal von den Verbrechen ihres Sohnes erfuhr. Sie habe gerade für den anstehenden Urlaub gepackt, als ihr Mann einen Anruf bekam: "Niels sitzt in U-Haft wegen versuchten Mordes." Immer noch fassungslos blickt sie zurück: "Das zieht einem den Boden unter den Füßen weg. Und das war ja wirklich die erste Sache, wo es noch nur ... einer war."
Ulla und Didi Högel halten an ihrem Nachnamen fest
Beim Prozess war Ulla nicht dabei. "Das hätte ich psychisch nicht geschafft", erklärt sie im Gespräch mit den Filmemacherinnen in ihrer Wohnung. "Ich habe mich wirklich total verkrochen. Ich bin auch hier nicht mehr einkaufen gegangen." Sie habe sogar begonnen, zu trinken, um dem Horror zu entfliehen, gibt Ulla zu.
"Das waren die schlimmsten Gefühle. Ich mag das gar nicht sagen, ich habe manchmal gedacht 'Vielleicht tut er sich ja mal was an'. Und dann habe ich gedacht 'Mein Gott, was denkst du!'" Bis heute ist sie in Therapie und nimmt Psychopharmaka. Scham und Angst seien groß gewesen, erinnert sich auch Didi bei einer Autofahrt durch seine Heimatstadt. Zwar habe ihn nie jemand auf die Taten seines Sohnes angesprochen, doch er ist sich sicher, dass hinter seinem Rücken darüber geredet wurde und wird.
Und dann sind da eben die Fragen: "Was sage ich oder wie sage ich es?", habe er überlegt, erinnert sich Didi. Wie geht man damit um, dass der eigene Name plötzlich unwiderruflich mit unfassbaren Verbrechen verbunden ist? Selbst Jahre nach der Verurteilung muss Didi kurz Luft holen, wenn etwa eine Verkäuferin seinen Nachnamen wissen will, bevor er sich traut, zu sagen: "Högel". Trotzdem will das Ehepaar sein Namen nicht ändern, auch wenn beide darüber nachgedacht hätten. "Machst du das, dann musst du auch hier weg. Und hier haben wir unsere Wurzeln", erklärt Ulla, während sie an dem kleinen Esstisch in ihrer Küche sitzt.