Französischer wird's nicht mehr
Autor: Eric Leimann
, Freitag, 12. Dezember 2025
Im Vierteiler "Die Jahreszeiten" sieht man der Dreiecksbeziehung von Camille, Martin und Alex in den Jahren 1991 bis 2022 zu. Über die Folgen und Zeitsprünge verändert sich deren Leben. Die sehr französische Coming-of-Age-Serie ist voller poetischer Momente und lädt zur Melancholie ein.
Die 15-jährige Pariserin Camille (Marysole Fertard) verbringt ihre Sommerferien 1991 bei der Großmutter im Badeort Les Sables-d'Olonn an der Atlantikküste. Dort lernt sie die etwa gleichaltrigen Freunde Martin (Joann Brezot) und Alexandre (Félix Nebel) sowie deren Clique kennen. Menschen, die sie - auf unterschiedliche Art und Weise - ein Leben lang begleiten werden. Der sehr französische Serien-Vierteiler "Die Jahreszeiten" springt mit jeder Folge etwa zehn Jahre weiter im Leben der Protagonisten. Ab Episode zwei, die im Jahr 2000 spielt, wird die 25-jährige Camilie von Stéphane Caillard gespielt, Abraham Wapler als Martin und Lucas Bravo als Alexandre vervollständigen das Love-Triangle of Sadness. Denn bei aller Liebe und französischem Flair sei vorab gesagt: Das Leben der drei Hauptfiguren, ihrer engen Freunde und Familien verläuft alles andere als heiter und unbeschwert.
Da ist die spannungsreiche On-Off-Ehe von Camilles Eltern (Géraldine Pailhas und Nicolas Maury, der auch Co-Autor und Regisseur der Serie ist), das schwierige Coming Out ihres kleinen Bruders (Sam Chemoul), die Demenz der Großmutter (Martine Chevallier) oder auch die schwierige Suche nach einem Platz im Leben der drei Liebenden selbst. Filmemacher Maury, der die emotional packende Serie mit Hélène Duchateau auch schrieb, hat über drei Serienstunden ein wahres Fest für Fans französischer Lebensart und Kultur erschaffen: Nicht nur sämtliche Darsteller sehen unglaublich "französisch" aus. Auch Plot, Kamera und Erzählweise erinnern an Klassiker wie François Truffauts "Jules und Jim" oder die melancholischen Dialogfilme eines Eric Rohmers ("Pauline am Strand"). Auch der ließ seine Plots gerne mal in französischen Badeorten zur Ferienzeit spielen.
Für Fans von "Zwei an einem Tag", "Ana und Oscar" oder "Alice & Jack"
Vor allem die erste Folge mit den 15-jährigen Protagonisten ist ein ganz starkes Stück Coming-of-Age-Erzählung: Alle jungen Schauspieler übersetzen die Lebenslust und Tragik dieser Lebensphase geradezu brillant in ihre Rollen. Es gibt zum Beispiel eine Szene, die sich so ähnlich im Erwachsenenalter wiederholen wird: In der elterlichen Bar eines Freundes wollen es die Jugendlichen abends richtig krachen lassen. Die starken Gefühle von Camille, Alexandre und Martin füreinander entfalten hier erstmals ihre volle Wucht. Dazu hört man einen bezaubernden Chanson in englischer und französischer Sprache, der das Jungsein zum Thema hat. Es ist das Lied "Désir, désir" von Laurent Voulzy. Wie der ein oder andere weitere Musikvortrag dieser Serie wird der Song beinahe in voller Länge gespielt. Dazu singen die Charaktere mit und lassen sozusagen das Lied (oder auch mal ein Gedicht) für ihre Gefühle sprechen.
An der ein oder anderen Stelle bewegt sich der Plot haarscharf an der Grenze zur Soap. Dank der poetischen Bilder und dem guten Schauspiel lässt sich jedoch darüber hinwegsehen. Etwas grenzwertig sind leider die Altersmasken der Protagonisten, die ab Folge zwei das Lebensalter zwischen Mitte 20 und Ende 40 abdecken sollen. Nicht nur die Jugendlichen von 1991, sondern auch die Älteren von damals sind über die Erzählspanne von über 30 Jahren präsent. So kommt es dann, dass die 40-Jährigen von einst plötzlich 70-Jährige verkörpern sollen und dies nicht immer überzeugend gelingt.
Wer über solche Details hinwegsehen kann, sieht mit "Die Jahreszeiten" einen wunderbaren, melancholisch schwelgerische TV-Roman, der vor allem Zeitsprung-Fans von Serien wie "Zwei an einem Tag" (Netflix), "Ana und Oscar" (ARTE) oder "Alice & Jack" (ZDF) gefallen dürfte.
Die Jahreszeiten - Do. 18.12. - ARTE: 21.40 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst