Erste Bürger-Frage bringt Merz kurz aus dem Konzept, Klamroth amüsiert: "Ein Maurer der Macht"

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Arena - Ihre Fragen an Friedrich Merz
"Ich gebe zu, ich bin nicht zufrieden mit dem, was wir erreicht haben", sagte Bundeskanzler Friedrich Merz in der ARD-"Arena".
WDR / Ben Knabe
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Friedrich Merz stellte sich in der Live-Sendung den Fragen von 150 Bürgerinnen und Bürger aus allen Ecken des Landes.
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Louis Klamroth (links) und Jessy Wellmer führten durch die Fragestunde mit Friedrich Merz.
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Von Bundeswehr übers Gesundheitssystem bis zur Zuverdienstgrenze in der Rente: Friedrich Merz stellte sich in ARD-"Arena" live drängenden Fragen von 150 Bürgerinnen und Bürger aus allen Ecken des Landes - und zeigte sich mancherorts überraschend selbstkritisch.

Als Notfallssanitäter will sich Bundeskanzler Friedrich Merz nicht verstanden wissen. "Vielleicht Notarzt, wenn man aufs Land schaut und die Herausforderungen, vor denen wir stehen", meinte der CDU-Chef, der sich zum Ende seines ersten Kanzler-Jahres in der "Arena" der ARD live den Fragen von Zuschauerinnen und Zuschauern stellte.

Gleich die Erste von einem Weinbauern aus Worms brachte den sonst so gewandten Merz eine Sekunde lang aus dem Konzept. Mit welchem Handwerker er sich denn vergleichen würde, wollte der wissen - im Rückgriff auf seinen berühmten "Klempner der Macht"-Vorwurf an Olaf Scholz. "Maurer, Gärtner", hatte sich der Kanzler gleich wieder gefasst und setzte zum Vergleich an: "Das Fundament ist da, aber wir müssen wesentliche Teile des Hauses neu bauen. Wir müssen das Haus der Bundesrepublik Deutschland renovieren."

Damit habe sein Team angefangen. "Ich gebe aber zu, ich bin nicht zufrieden mit dem, was wir erreicht haben", lenkte er ein. "Also ein Maurer der Macht", kommentierte Louis Klamroth, der mit Jessy Wellmer durch die 60-Minuten-Sendung führte. Oder besser gesagt, durchjagte und -peitschte - denn angesichts der vielen Themen hieß es, keine Zeit zu verlieren.

Friedrich Merz gibt zu: "Das würde ich heute anders machen"

Eines davon war das Thema Migration: "Unser Land muss ein offenes Land bleiben für diejenigen, die arbeiten wollen, die sich integrieren wollen. (...) Wir brauchen Migration", betonte der in Umfragen unter Druck stehende Regierungschef. Gleichzeitig müssten sich die Menschen an Regeln halten, "und wenn Sie es nicht tun, müssen sie gehen."

Was einerseits Applaus erntete, stieß bei einer Medizinstudentin auf Kritik: "Integration muss stattfinden, und sie findet nicht statt, wenn die Gesellschaft durch solche Aussagen gespalten wird", kam sie auf die "Stadtbild"-Aussage zu sprechen, mit der Merz für Schlagzeilen gesorgt hatte.

"Ich glaube, jeder, der guten Willens war, wusste, was ich damit meinte", fühlte sich der Kanzler missverstanden, zeigte sich dann aber doch selbstkritisch: "Ich hätte vielleicht früher klarstellen sollen, was ich damit gemeint habe. Das würde ich heute anders machen", gab er zu. Es sei ihm nicht um Äußerlichkeiten, sondern um "Bahnhöfe" und "verwahrloste Innenstädte" gegangen, erklärte er: "Ich möchte das Gegenteil von dem erreichen, was Sie empfinden", meinte er versöhnlich zur Medizinstudentin.

Jugendlicher: "Warum soll ich für das Land kämpfen, wenn das Land nicht für mich kämpft?"

Ob er sie damit überzeugt hatte, blieb in der Sendung offen - bei einem anderen jungen Menschen schien ihm das gelungen zu sein: "Warum soll ich für das Land kämpfen, wenn das Land nicht für mich kämpft?", wollte ein Jugendlicher im Kapuzenpulli wissen. Er nannte das Rentengesetz, das am Freitag verabschiedet wurde, als etwas, das es seiner Generation nur schwerer macht.

"Wir haben ein Land, in dem es sich lohnt zu leben", gab sich der Bundeskanzler patriotisch, "sagen Sie mir ein zweites Land, wo Sie gerne hinziehen?" Gut, da könnte der junge Herr vielleicht einige nennen, gestand Merz unter Lacher aus dem Publikum ein, aber "so ganz viele werden es nicht sein." Deutschland sei ein liebens- und lebenswürdiges Land, für das es sich zu kämpfen lohne - erntete er dafür ein Nicken des jungen Mannes.

Die umfassende Rentenreform im nächsten Jahr sollte im Übrigen der jungen Generation gerecht werden, führte Merz fort. Und nicht nur ihr: "Das muss kommen und bitte so schnell wie möglich", appellierte eine Frau, die als Hinterbliebene eine Witwenrente erhält, aber in ihren Zuverdienstmöglichkeiten eingeschränkt ist. "Wir sind 1,2 Millionen Hinterbliebene im erwerbsfähigen Alter, (...) wir sind Fachkräfte", schloss sich eine weitere Witwe dem Appell an.

"Das Thema nehmen wir mit", versprach Merz, noch dieses Jahr die Kommission einzusetzen, bis spätestens Ende Juni Vorschläge zu erwarten und im zweiten Halbjahr 2026 daran zu arbeiten. Jetzt müsse man hinbekommen, was 30 Jahre verabsäumt wurde. Die Vorschläge, was man machen könne, seien ohnehin alle bereits diskutiert. Auf einzelne Ideen wollte er in der Sendung nicht eingehen, sondern setzte auf eine "Reform aus einen Guss". "Grundsätzlich müssen wir den Menschen Anreiz geben zu arbeiten", sei aber klar, denn: "Wenn sie durch Arbeit Nachteile haben, machen wir politisch etwas falsch."

"Unser Gesundheitssystem ist das zweitteuerste der Welt - und nicht das beste"

Weniger selbstkritisch zeigte er sich beim großen Thema Gesundheit: Als ein Rettungssanitäter in Ausbildung das Einstiegsgehalt von Pflegern beanstandete, widersprach Merz vehement. "In keinem Bereich der öffentlichen Gesundheitsvorsorge sind die Löhne und Gehälter so gestiegen wie im Pflegebereich", meinte er. Zudem sei der Pflegeberuf durch die Ausweitung der Tätigkeiten gestärkt worden.

Generell brauche es eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems, stellte er fest. "Wir haben in Deutschland rund eine Milliarde Arztbesuche pro Jahr", nannte er Zahlen, "unser Gesundheitssystem ist das zweitteuerste der Welt - und nicht das Beste." Das wolle seine Regierung ändern und hätte bereits erste Schritte gesetzt, meinte er.

Als ihn Klamroth auf sein Versprechen, die Krankenkassenbeiträge gleich zu belassen, ansprach, konterte er: "Wir haben es nicht versprochen, sondern entschieden." Jetzt liege es im Bundesrat. "Wir wollen die Steigerung der Krankenversicherungsbeiträge verhindern", sagte der Bundeskanzler. Das sei das "erklärte Ziel der Regierung".

"Nicht mit mir!", antwortet Merz kategorisch auf AfD-Frage

Dass seine Partei bei der Umsetzung all dieser notwendigen Reformen die "Brandmauer zur AfD" einreißen würde, schloss Merz in der "Arena" kategorisch aus: "Ich werde mit dieser Partei an keiner Stelle zusammenarbeiten", beteuerte der CDU-Vorsitzende. "Raus aus der EU, raus aus der NATO, Freunde von Russland, Nationalismus der schlechtesten Art - nicht mit mir!"

Auch dann, "wenn hinter Brandmauer die größte Wählergruppe steht?", hakte ein Mann aus Schleswig-Holstein nach. Genau das gelte es zu verhindern, beharrte Merz auf seinem Standpunkt, musste dann aber doch zugestehen: "Diese Partei ist so groß geworden, weil wir nicht gut genug waren", nahm er sowohl als CDU/CSU wie auch für die Sozialdemokraten die Schuld auf sich."

Deshalb wolle er gemeinsam mit der SPD in der politischen Mitte, die Probleme zu lösen und so der Partei die Grundlage zu entziehen. An Arbeit mangelt es dem Maurer bei den vielen Baustellen jedenfalls nicht.

Quelle: teleschau – der mediendienst