"Ein Witz": Heidi Reichinnek geht bei Bürgergeld-Debatte auf CDU-Politiker los
Autor: teleschau - Doris Neubauer
, Dienstag, 25. März 2025
Union und SPD wollen das Bürgergeld reformieren und Sanktionen gegen Totalverweigerer verschärfen: Bei der Frage "Ist das gerecht?" prallen bei "Hart aber fair" am Montagabend die Realitäten aus Politik und Praxis aufeinander - "knallhart" und "unfassbar polemisch".
Die Koalitionsverhandlungen gehen in die nächste Runde: Im Visier stehen dabei die rund fünfeinhalb Millionen Bürgergeldbezieher, die mit einem Regelsatz von aktuell 563 Euro pro Monat plus Miete ihr Auskommen finden müssen. Oder vielmehr jene Gruppe, die zwar erwerbsfähig wäre, aber Jobangebote, Ausbildungsplätze und andere Maßnahmen verweigere. Auf diese Unterscheidung legte CDU-Bundestagsabgeordneter Tilman Kuban gleich zu Beginn der Talk-Show "Hart aber fair" zum Thema "Mehr Härte beim Bürgergeld - ist das gerecht?" wert, denn: "Der Sozialstaat kann nur für die da sein, die gerade nicht können, aber nicht für die, die gerade nicht wollen", argumentierte er für "knallharte" Maßnahmen. Gerade einmal 18.000 solcher Totalverweigerer registrierte die Bundesagentur für Arbeit bis letzten November.
Eine Zahl, die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek nur belächeln konnte: Da gingen dem Staat pro Jahr 100 Milliarden durch Steuerflucht und Steuerschlupflöcher verloren, behauptete die Abgeordnete, aber nur 60 Millionen durch Bürgergeldbetrug. "Ich wüsste ja, mit welcher Zahl ich mich intensiv beschäftigen würde, wenn ich eine Koalitionsverhandlung führen würde", meinte sie schnippisch Richtung CDU. Doch die würde lieber nach unten treten, statt nach oben zu schauen.
Kuban ging auf die Provokation ein: "Es geht doch nicht um die Frage des Geldes, sondern ob die Leute das Gefühl haben, es geht fair und gerecht zu." Man könne schließlich niemandem, der morgens aufsteht und für ein geringes Einkommen arbeiten geht, erklären, warum sein Nachbar zu Hause bleiben und mit Bürgergeld genauso viel verdienen würde.
Generell müsse jede Straftat verfolgt werden, doch vom Rechtsstaat verstehe die Linke nichts. "Man dürfe nicht Frösche fragen, wie man einen Sumpf trockenlegt", attackierte er, doch Reichinnek schoss mit einem Redeschwall zurück: "Deine Kommunikation ist auf jeden Fall ein Witz", schimpfte sie unter anderem. Moderator Louis Klamroth hatte sichtlich seine Müh und Not, die beiden Streithähne wieder einzufangen. Und selbst die Linkspolitikerin war zum Schluss dann doch etwas sprachlos: "Was soll ich darauf eingehen? Er hat sonst nichts zu bieten."
Anna Mayr ("Die Zeit"): "Mein Gefühl ist, dass die SPD versucht hat, die Union hinters Licht zu führen"
Inhaltliche Kritik am Leistungsentzug für Totalverweigerer, wie es im Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD steht, kam aber auch von anderer Stelle. Härtere Sanktionen wären nur für Leute, die arbeiten und ein Ungerechtigkeitsgefühl hätten, sah Anna Mayr (Journalistin von "Die Zeit") darin ebenfalls wenig Sinn.
Neu wäre der Entzug des Bürgergelds nicht. Eine Streichung aller staatlichen Leistungen hingegen wäre nur dann möglich, wenn der vom Jobcenter angebotene Job tatsächlich das Leben des Betroffenen und das seiner Kinder ausfinanzieren würde. Ein so hohes Bruttogehalt wäre für ungelernte Leute, die den Großteil dieser Gruppe ausmachen, unwahrscheinlich. Außerdem wäre es nicht nur unklar, was "wiederholt" bedeute oder wie die schon jetzt überforderten Jobcenter zusätzlich noch potenzielle Verweigerer kontrollieren sollen. "Mein Gefühl ist, dass die SPD versucht hat, die Union hinters Licht zu führen", lautete ihr Fazit.
Davon wollte Andreas Bovenschulte (SPD-Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen) zwar nichts wissen, klang aber um einiges anders als sein Verhandlungspartner von der CDU. Auf "schwarze Pädagogik allein" wollte er sich nicht verlassen, vielmehr läge der Schwerpunkt darauf, die 1.8 Millionen arbeitslose Bürgergeld-Bezieher in die Arbeit zu bekommen: "Denn es gibt hunderttausende Menschen, die sich nichts sehnlicher wünschen als einen Job."