Druckartikel: Brutale Szene "soll nicht im Fernsehen erscheinen": ARD-Doku deckt Missstände im Reitsport auf

Brutale Szene "soll nicht im Fernsehen erscheinen": ARD-Doku deckt Missstände im Reitsport auf


Autor: Teleschau  

, Dienstag, 11. November 2025

"Der hier soll nicht im Fernsehen erscheinen, weil der so dolle draufgehauen hat", fordert ein Reitturnier-Richter von einem Filmteam des MDR. In der neuen "team.recherche"-Doku "Reitsport - zwischen Lieben und Quälen" sind die erschreckenden Aufnahmen nun dennoch zu sehen.


"Wer sein Pferd für seine sportlichen Zwecke nutzen möchte, hat eine besondere Verantwortung (...), das Wohl des Pferdes über seine eigenen sportlichen Interessen und Ziele zu stellen." So steht es im Regelwerk der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. Dass sich längst nicht alle Reiterinnen und Reiter an diesen Grundsatz halten, ist nach etlichen Tierquälerei-Skandalen in den vergangenen Jahren hinlänglich bekannt. Auch die neue "team.recherche"-Doku "Reitsport - zwischen Lieben und Quälen" fördert nun Erschreckendes zutage.

Auf einem Springturnier will das MDR-Kamerateam einen Reiter begleiten. Als dort Aufnahmen entstehen, spricht ein Richter die Journalisten an: "Der hier soll nicht im Fernsehen erscheinen, weil der so dolle draufgehauen hat", sagt er und deutet auf einen Namen auf einer Liste. Zwar seien die Gertenhiebe, die der Mann seinem Pferd verpasst hat, "offiziell gestattet", erklärt der Richter. "Aber das steht dann gleich wieder bei Facebook am nächsten Tag."

Zu sehen sind die Aufnahmen im Film dennoch: Sie zeigen, wie der Reiter mehrmals mit der Gerte auf sein Pferd einschlägt, "etwa achtmal", schätzen die Reporterinnen. Sie fragen sich: "Ist so etwas überhaupt erlaubt?" Die Antwort lautet: Jein. "Übermäßiger Gerteneinsatz" sei nicht erlaubt, erklärt Turnier-Richterin Brigit Dammer, zudem sei "ein Schlagen vor dem Sattel" prinzipiell nicht gestattet - geduldet sei lediglich "ein leichtes Touchieren".

"Reiten ist kein Sport für jedermann"

Noch deutlicher drückt es Kerstin Gerhardt aus. "Reiten ist kein Sport für jedermann", stellt die Berufsschullehrerin für Pferdewirte klar. "Ganz großes Veto, nicht jeder gehört aufs Pferd, wirklich nicht. Wenn ich Menschen habe mit einem großen Machtstreben oder Testosteron und Aggression - die gehören nicht aufs Pferd." Man dürfe zu keinem Zeitpunkt "brutal werden", erklärt sie und demonstriert mit einem leichten Fingertippen, wie das Tier sogar auf kleinste Berührungen reagiert. "Pferde fühlen eine Fliege", stellt sie klar. "Da kann man doch ganz deutlich sehen, dass jede harte Einwirkung überhaupt nicht an so ein Pferd gehört!"

Weil Kerstin Gerhardt bekannt dafür ist, Missstände im Reitsport offen anzusprechen, wurde sie in der Vergangenheit häufig angefeindet. Doch weder Hassanrufe noch eingeschlagene Autoscheiben halten die Bereiterin davon ab, Klartext zu reden: "Bei jeder Prüfung hast du so ein, zwei Deppen dabei, die so fokussiert sind auf Erfolg und dass das Ding unter einem funktioniert. Die musst du einfach bremsen und auch rausziehen."

Umstrittene "Rollkur": Turnier-Richter schreiten nicht ein

Das gelte auch für diejenigen Reiterinnen und Reiter, die mit der sogenannten "Rollkur" den Kopf des Pferds stark nach unten ziehen. Durch diese Trainigsmethode habe der Mensch "unfassbar viel Macht und Kontrolle", sagt Kerstin Gerhardt. Das Tier hingegen sieht kaum noch etwas, kann schlechter atmen, zudem kann es zu Schmerzen kommen. "Es ist so demütigend für ein Pferd, da erlischt wirklich die Seele", mahnt die Ausbilderin.

Nichtsdestotrotz beobachtet und filmt das Kamerateam auf einem Turnier mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die über lange Strecken hinweg in Rollkur reiten. "Gruselig" nennt Gerhardt dieses "mechanische Runterriegeln des Halses". Eingegriffen wird zumindest auf jenen Veranstaltungen, bei denen die Reporter anwesend sind, nicht - und das, obwohl das übermäßige Reiten in Rollkur als tierschutzwidrig gilt. Gerhardt zufolge entstehe so ein nicht enden wollender Kreislauf des Missbrauchs: "Die Jungen und die Kinder, die das sehen und auch sehen, dass es nicht geahndet wird - die machen das einfach nach."

Quelle: teleschau – der mediendienst