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ARD-Doku: Boateng bricht sein Schweigen zum Tod von Kasia Lenhardt


Autor: Jens Szameit, Dunja Neupert-Kalb

Deutschland, Dienstag, 18. November 2025

"Being Jérôme Boateng" - das ist der Titel einer neuen ARD-Dokumentation, die kaum ein brisanteres Licht in die Welt des Profifußballs werfen könnte.
Jérôme Boateng spricht in der ARD-Doku über den Tod seiner früheren Lebenspartnerin Kasia Lenhardt.


In diesem Jahr hat der ehemalige Fußballnationalspieler Jérôme Boateng seine aktive Karriere beendet. Nun möchte der Weltmeister von 2014 Trainer werden. Eine geplante Hospitanz bei seinem Ex-Klub FC Bayern München scheiterte nach Protesten unter anderem aus der Fan-Szene. Der Ruf des einst gefeierten Abwehrspielers gilt vielen als ruiniert.

Nun haben die ARD-Filmautorinnen Annette Baumeister, Anna Grün und Ulrike Schwerdtner die außergewöhnliche Sportler-Biografie für eine dreiteilige Dokumentation aufgerollt. "Being Jérôme Boateng" lautet ihr Titel. Am Freitag, 21. November, 23.55 Uhr, ist sie im Ersten zu sehen und am selben Tag in der Mediathek. Zahlreiche Weggefährten und Zeitzeugen äußern sich zu sportlichen Höhenflügen und privaten Dramen. Vor allem aber äußert sich Jérôme Boateng (37) selbst - und das erstmals auch zu den dunkelsten Kapiteln seines Lebens.

Fehler werde ihn den Rest seines Lebens begleiten

Im Oktober 2019 kam Jérôme Boateng mit der ehemaligen "Germany's Next Topmodel"-Kandidatin Kasia Lenhardt zusammen. Im selben Jahr eröffnete die Staatsanwaltschaft München gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Die Beziehung zwischen dem langjährigen Bayern-Profi und der früheren "Germany’s Next Topmodel"-Finalistin hatte monatelang für Schlagzeilen gesorgt. Nach etwas mehr als einem Jahr Beziehung trennten sich der Fußballer und das Model öffentlichkeitswirksam. Eine Art Rosenkrieg entfachte. Beide machten sich gegenseitig schwere Vorwürfe.

Im Jahr 2021 gab Boateng gegenüber "Bild" ein folgenschweres Interview, in dem er Vorwürfe gegen seine Ex-Lebensgefährtin erhob. Unter anderem den, Lenhardt habe die Beziehung zu der Mutter seiner beiden Kinder "zerstört".

Das Interview bezeichnet Boateng in der Dokumentation als Fehler. "Was deutlich und klar für mich ist, ist, dass ich die Situation im Nachhinein falsch eingeschätzt habe und damit einfach besser hätte umgehen müssen, anders", sagt der Weltmeister von 2014 jetzt. Der Fehler werde ihn den Rest seines Lebens begleiten, gestand Boateng.

Kasia Lenhardt starb am Geburtstag ihres Sohnes

Nach Erscheinen des "Bild"-Interviews ging in den sozialen Medien eine Hasslawine auf Kasia Lenhardt nieder. "Jedes Magazin berichtete, verbreitete aber einzig und allein das Narrativ von Jérôme Boateng", erinnert sich "Brisant"-Journalistin Susanne Klehn in der ARD-Doku. Podcasterin Gizem Celik erkennt ein riesiges Machtgefälle mit fatalen Folgen: "Es ist nicht normal, dass wir in einem Zeitalter leben, wo du von Millionen vom fremden Menschen gesagt bekommst: 'Bitte stirb!'"

Kasia Lenhardt nahm sich wenige Tage nach Erscheinen des Interviews in ihrer Berliner Wohnung das Leben. Die junge Frau verstarb am 9. Februar 2021 im Alter von 25 Jahren - am sechsten Geburtstag ihres Sohnes. Kasia Lenhardt, die eigentlich Katarzyna hieß, wurde in Polen geboren und belegte bei Heidi Klums Modelshow 2012 den vierten Platz.

Ihre Mutter teilte kurz nach dem Tod von Kasia Lenhardt bewegende Worte via Social Media. In einer emotionalen Instagram-Story sprach Modelfreundin Sara Kulka damals an, dass ihre Freundin Kasia Lenhardt von mehreren Menschen "in den Tod getrieben" wurde. 

"Ich habe einen Menschen verloren, den ich sehr geliebt habe"

"Was deutlich und klar für mich ist, ist, dass ich die Situation im Nachhinein falsch eingeschätzt habe und damit einfach besser hätte umgehen müssen, anders", kommentiert Jérôme Boateng diese Tragödie nun erstmals in der Öffentlichkeit. Dann sagt er: "Das Interview war ein Fehler" und blickt zu Boden. Es werde ihn "den Rest meines Lebens begleiten, diesen Fehler gemacht zu haben".

Es ist dem Ex-Nationalspieler anzumerken, wie viel Überwindung ihn der Gang vor die Kamera der ARD-Filmemacherinnen gekostet haben muss. Seine Worte wirken sorgfältig abgewogen. Boateng spricht langsam und ruhig - und wirkt doch innerlich aufgewühlt. Stellenweise bricht seine Stimme. "Es ist wahnsinnig schwer für mich, darüber zu sprechen", gibt er zu. "Aber mir war das einfach wichtig zu sagen, dass sie ein ganz, ganz toller Mensch war und eine große Rolle in meinem Leben hatte."

Weiter sagt Jérôme Boateng: "Ich habe einen Menschen verloren, den ich sehr geliebt habe." Ihm sei jedoch öffentlich "abgesprochen worden, dass ich überhaupt trauern darf". Heute sei er "immer noch dabei, ihren Tod zu verarbeiten". Die Kraft dazu schöpfe er aus seiner Familie, seinen beiden Töchtern. Anfangs habe er zudem mit einem Therapeuten gesprochen, "der mir geholfen hat, in den Alltag zurückzufinden. Das war ganz wichtig."

"Wir wissen einfach nicht, was die Wahrheit ist"

Über juristische Streitfragen konkret wird Jérôme Boateng vor der ARD-Kamera hingegen nicht. Ausnahme ist die Behauptung, Kasia Lenhardt habe eine Verschwiegenheitserklärung, neudeutsch NDA (Non-Disclosure Agreement), nur auf Druck hin unterschrieben: "Sie wollte die NDA von mir haben", beteuert Boateng in der Doku. "Das war ihr ganz wichtig. Ich hatte selbst auch gar kein Exemplar. Das war bei ihr, und das hätte sie auch jederzeit zerreißen können."

Zu den vielen Sport-Insidern, die sich im Dreiteiler äußern, zählt auch Cathy Hummels. Die Ex-Ehefrau von Ex-Fußballer Mats Hummels befindet: "Wir wissen einfach nicht, was die Wahrheit ist. Das weiß er und das weiß sie." Klärung bringen auch die drei Doku-Teile nur bedingt. Außer seinem "Bild"-Interview räumt Boateng keinen Fehler explizit ein.

Ob ihm auf dieser Basis der vorbehaltlose Neuanfang als Trainer glücken wird? Viele Kommentatoren der Doku sehen das skeptisch. Der Ex-Spieler selbst scheint die Hoffnung mit seinem Auftreten in den drei Doku-Teilen zu verbinden. "Ich wollte einfach meine Sichtweise nach all den Jahren mitteilen", sagt er. "Das war mir einfach wichtig nach der ganzen Zeit." Und weiter: "Ich glaube, dass die Geschichte zu meinem Leben dazugehört, das ist so. Ich habe daraus gelernt."

Quelle: teleschau – der mediendienst

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