Sie nannten ihn Giorgio: Der Mann, der den Sound der Zukunft erfand, wird 85
Autor: teleschau - Jan-Niklas Jäger
, Freitag, 25. April 2025
1977 schuf Giorgio Moroder mit Donna Summers "I Feel Love" den ersten komplett elektronischen Disco-Song und läutete damit ein neues Pop-Zeitalter ein. Noch heute lebt die Utopie weiter, die sein Electrodisco-Sound verkörperte. Sein Schöpfer indes beteuert, er könne gar nicht tanzen. Am 26. April wird der italienische Produzent 85,
Spätestens seit den 1980er-Jahren ist elektronische Musik ein essenzieller Bestandteil der weltweiten Popkultur. Ob Techno, House, Synthie-Pop oder diverse Hybrid-Genres: Der Synthesizer hat die Popmusik genauso revolutioniert wie einst die Elektrogitarre.
Vor allem das Nachtleben in den Großstädten hat sich durch elektronische Musik von Grund auf verändert. Aus dem bloßen Zeitvertreib ist durch die futuristischen Klänge mehr geworden: die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die Musik als Ausdruck einer Utopie. Wenn die meisten schon lange schlafen, feiern Raver und Raverinnen in den Clubs ein alternatives Leben abseits des Alltagszwangs.
Ironischerweise befindet sich der Mann, der als Pionier dieser Musik gilt, zu diesem Zeitpunkt selbst längst im Bett. Schon als er noch aktiv Musik machte, arbeitete Giorgio Moroder tagsüber und ging früh schlafen, um am nächsten Tag in alter Stärke weiterzumachen. Disco sei ohnehin nichts für ihn, verriet er 2015 der Agentur teleschau. "Ich kann nicht tanzen und will auch nicht so recht." Dabei hat er die Utopie der Clubs erst ermöglicht - wenn auch mehr oder weniger durch Zufall.
Durch einen Zufall revolutionierte Giorgio Moroder die Popmusik
Als Disco-Produzent war Giorgio Moroder, der am 26. April 1940 in Südtirol auf die Welt gekommen ist, schon lange etabliert, als er, sein Songwriting-Partner Pete Bellotte und die Sängerin Donna Summer auf die Musik der Zukunft stießen. 1975 hatte das Trio seinen ersten großen Hit mit "Love To Love You Baby", einem Disco-Song, der so erotisch war, dass Plattenboss Neil Bogart darauf bestand, dass die Album-Version eine ganze LP-Seite einnehmen sollte: Bei einer Dauer von 17 Minuten konnten die Hörerinnen und Hörer dazu tatsächlich "Liebe" machen.
Doch Moroder und Bellotte, der vor allem für die Songtexte und Albumkontexte zuständig war, während Moroder am Sound schraubte und Summer den Songs Leben einhauchte, hatten größere Ambitionen. Vor allem der Fantasy-Fan Bellotte kam immer wieder mit Album übergreifenden Konzepten um die Ecke. So bestand Donna Summers Album "Four Seasons" aus vier Songs, von denen jeder für eine Jahreszeit stand: Vivaldi für die Disco.
Eines von Bellottes Konzepten inspirierte Moroder dann auch, den Sound der Zukunft zu erfinden - und das ganz bewusst. 1977 erschien mit "I Remember Yesterday" Summers fünftes Album, natürlich mit Konzept: Jeder Song stand für ein Jahrzehnt. Es gab einen Song im Big-Band-Stil der 1920-er, eine Huldigung an die Girl Groups der 1960-er und ganz am Schluss: "I Feel Love", der Song, der die Zukunft verkörpern sollte und das dann auch tatsächlich tat wie kein zweiter.
Der Siegeszug des Synthesizers
Vor "I Feel Love" wurde Disco-Musik noch händisch von Musikern und Musikerinnen eingespielt. Die Einflüsse aus Soul und Funk waren spürbar, und insgesamt haftete dem Genre eher ein tanzbarer Retro-Charme an. Dann entschloss sich Giorgio Moroder, der bekennende Workaholic, eine komplett elektronische Disco-Nummer zu produzieren. Die deutschen Elektro-Pioniere von Kraftwerk waren zu dieser Zeit zwar schon dabei, elektronische Instrumente salonfähig zu machen, doch tanzbare Pop-Songs schrieben die Düsseldorfer eher nicht - noch nicht.