Freispruch in London: Kevin Spaceys neue Chance
Autor: Julia Kilian und Christoph Meyer, dpa
, Mittwoch, 26. Juli 2023
Kevin Spacey muss an seinem Geburtstag vor Gericht erscheinen. Vier Männer warfen ihm vor, sie sexuell belästigt zu haben. Nach stundenlangen Beratungen verkündet die Jury ein Urteil - für den Schauspieler könnte nun ein neues Kapitel beginnen.
Im ersten Moment sitzt Kevin Spacey nur da. Nimmt dann ein Taschentuch, legt sich eine Hand auf die Wange. Für den Schauspieler dürften es lange Minuten gewesen sein, als am Mittwochnachmittag das Urteil verkündet wird. Vier Männer warfen ihm in einem Prozess vor einem Londoner Gericht sexuelle Übergriffe vor. Die Geschworenen sprechen ihn an diesem Nachmittag frei. Die Jury verkündet zu allen Punkten «not guilty» («nicht schuldig»).
Spacey verfolgt die Urteilsverkündung stehend im Southwark Crown Court, einem pragmatischen Gebäude nicht weit entfernt von der Tower Bridge. Sein Gesicht ist etwas aufgequollen, er sieht erschöpft aus. Seit Prozessbeginn Ende Juni saß er immer wieder in dem mit Glas abgetrennten Kasten. Was mag in seinem Kopf vorgegangen sein? Und was im Kopf der Männer, die gegen ihn aussagten?
Freispruch am 64. Geburtstag
In der Anklageschrift wurde ihm vorgeworfen, bei vier Männern sexuell übergriffig geworden zu sein. Demnach soll Spacey sie etwa ohne Erlaubnis im Schritt angefasst haben. Ein Mann warf ihm vor, gegen seinen Willen Oralsex an ihm ausgeübt zu haben, als er schlief. Spacey hatte die Anschuldigungen zurückgewiesen oder angegeben, es habe sich um einvernehmlichen Sex gehandelt.
Nun der Freispruch. Spacey tritt anschließend vor die wartenden Reporterinnen und Reporter. Er müsse die Geschehnisse nun erst einmal verarbeiten, sagt Spacey, der an diesem Tag 64 Jahre alt geworden ist. Er sei der Jury aber enorm dankbar, dass sie sich die Zeit genommen habe, alle Beweise genau zu prüfen. «Und ich bin demütig über den Ausgang heute.»
Spacey - in den USA geboren - arbeitete viele Jahre in London. Er war künstlerischer Direktor am Theater Old Vic und lebte zeitweise in der britischen Hauptstadt. Seine Karriere gehörte lange zu den großen in Hollywood. Für «American Beauty» und «Die üblichen Verdächtigen» gewann der Schauspieler jeweils einen Oscar. Und mit seiner Rolle in «House of Cards» wurde er zum Gesicht des frühen Serienhypes.
Jäher Karriereknick
Als Vorwürfe gegen ihn publik wurden, änderte sich das: Netflix beendete die Zusammenarbeit zu «House of Cards» und verklagte Spacey auf Schadenersatz, nachdem Beschwerden von Mitarbeitern am Set über ihn aufgekommen waren. Das Old Vic distanzierte sich ebenfalls. Szenen mit Spacey in dem Thriller «All The Money in the World» (Alles Geld der Welt) wurden nachträglich entfernt.
Die Vorwürfe gegen Spacey wurden öffentlich, als die #MeToo-Bewegung aufkam: Der Schauspieler Anthony Rapp warf ihm vor, 1986 bei einer Party sexuell übergriffig geworden zu sein und ihn verletzt zu haben. Er forderte Schadenersatz. Doch Spacey gewann den Prozess. Zwei weitere Zivilklagen in den USA wurden zurückgezogen.