Die Frankfurter Buchmesse hat ihren ersten Aufreger: Ein slowenischer Philosoph provoziert mit einer Rede den Widerspruch einiger Gäste. Auch heute geht es politisch weiter.
Die Terrorangriffe der Hamas auf israelische Zivilisten haben den Start der Frankfurter Buchmesse geprägt. Der slowenische Philosoph Slavoj Zizek provozierte beim Eröffnungsfestakt am Dienstagabend heftigen Widerspruch. Aber die Debatte hatte schon zuvor begonnen: mit der Verschiebung einer Preisverleihung an die palästinensische Autorin Adania Shibli und der Absage arabischer Verlage.
Zizek, Vertreter des diesjährigen Gastlands Slowenien, verurteilte die Terrorangriffe, kritisierte aber ein «Analyseverbot»: Um den Konflikt zu verstehen, müsse man auch den Hintergrund der Palästinenser sehen. Einige Gäste verließen unter Protest den Saal, der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker (CDU) widersprach lautstark. «Auch das freie Wort hat dort eine Grenze, wo es in einem Kontext Dinge relativiert, verharmlost und gleichsetzt, wo man sie nicht gleichsetzen kann», sagte Becker später der dpa.
Die Kunst des Zuhörens
Nachdem sich der Tumult gelegt hatte, beschwor Buchmessen-Direktor Juergen Boos «die Freiheit des Wortes». Eine Rede zu unterbrechen, müsse möglich sein. Er sei aber auch froh, «dass wir die Rede zu Ende gehört haben, auch wenn sie uns nicht gefallen mag. Auch wenn wir sie sogar verurteilen. Es ist wichtig, dass wir uns zuhören.»
Für Mittwoch hatte die Buchmesse kurzfristig eine Podiumsdiskussion eingeschoben: «In Sorge um Israel». Sorge äußerten die Eingeladenen durchaus. Israel sei vor dem 7. Oktober «ein sicherer Hafen» für Juden in aller Welt gewesen, ein Ort, an den man sich flüchten könne, wenn Antisemitismus in anderen Ländern überhand nehme. Dieser Hafen existiere nicht mehr, nicht einmal als Illusion, berichteten zwei israelische Autoren auf dem Podium.
Beim Aufreger-Thema Zizek ließen sie Milde walten. Zizek fordere, «alles muss kontextualisiert werden», sagte der Publizist Meron Mendel. «Vermutlich stimmt das. Aber ich merke, wie schwer es mir fällt.» Er brauche einen Grundkonsens: dass bei den Massakern am 7. Oktober «das absolut Böse» am Werk war. «Da braucht es keine Kontextualisierung. Darüber kann man nicht diskutieren. Aber wenn wir diese gemeinsame Grundlage haben, können wir über alles sprechen.»
Zizek habe vieles gesagt, was man kritisieren könne, sagte der Schriftsteller Tomer Dotan-Dreyfus. Zutreffend aber sei seine Diagnose, dass es wichtig wäre, die Situation besser zu analysieren. «Ich wünsche mir, dass ich diese Komplexität besser verstehen kann. Damit wir bessere Lösungen finden. Weil die Lösungen, die wir gerade haben, scheinen seit Jahrzehnten nicht zu funktionieren.»
Kritik an der Verschiebung der Preisverleihung
Schon vor der Messe hatten nach Angaben der Veranstalter einige Staaten wie Indonesien und Malaysia ihre Teilnahme in Frankfurt abgesagt. «Das ist eine Reaktion auf unsere Solidarität mit Israel», sagte ein Sprecher der Buchmesse der dpa. Die Messe stehe aber auch auf der Seite der Palästinenser, die unter der Hamas litten.