Aufregung um Israelkritik bei der Berlinale
Autor: Gerd Roth, dpa
, Montag, 26. Februar 2024
Israelkritische Aussagen bei der Abschlussgala der Berlinale stoßen auf ein heftiges Echo. Aus Politik und Verbänden hagelt es Vorwürfe und Kritik. Auch Kanzler Olaf Scholz meldet sich zu Wort.
Israelkritische Äußerungen auf der Abschlussgala der Berlinale haben die Debatte um den Umgang der Kulturszene mit dem Nahostkonflikt neu entfacht. Aus Politik und Verbänden hagelte es Vorwürfe und Kritik an den Äußerungen der Filmschaffenden selbst, aber auch an Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Die Grünen-Politikerin kündigte am Montag an, die Vorfälle untersuchen zu lassen.
Während der Gala am Samstagabend war der Nahostkonflikt mehrfach thematisiert worden. Zahlreiche Mitglieder aus Jurys sowie Preisträgerinnen und Preisträger forderten verbal oder mit Ansteckern einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg. Der US-amerikanische Regisseur Ben Russell sprach am Ende seiner Dankesrede für eine Auszeichnung von einem Genozid, einem Völkermord.
Scholz verurteilt «einseitige Positionierung»
Kanzler Olaf Scholz (SPD) verurteilte die israelkritischen Äußerungen am Montag. Scholz teile es, «dass eine derart einseitige Positionierung so nicht stehen gelassen werden kann», sagte eine Regierungssprecherin. Es sei in jeder Debatte zu diesem Thema wichtig, im Auge zu behalten, was diese erneute Eskalation des Konflikts ausgelöst habe - nämlich der Überfall der Hamas auf Israel vom 7. Oktober.
Bei der Gala sprach der israelische Filmemacher Yuval Abraham, der zusammen mit dem Palästinenser Basel Adra in einem israelisch-palästinensischen Kollektiv für den Film «No Other Land» über die Siedlungspolitik in der West-Bank ausgezeichnet wurde, von Politik der Apartheid. «In zwei Tagen werden wir in ein Land zurückkehren, wo wir nicht gleich sind», sagte Abraham. «Ich darf mich in dem Land frei bewegen, Basel ist wie Millionen Palästinenser eingeschlossen in der West-Bank. Diese Situation der Apartheid zwischen uns, diese Ungleichheit muss ein Ende haben.» Abraham hat nach eigenen Angaben inzwischen Todesdrohungen erhalten. «Es ist für mich sehr, sehr schwer zu feiern, während Zehntausende Menschen meines Volkes in Gaza gerade getötet werden», sagte Adra auf der Bühne. «Hier in Berlin und in Deutschland möchte ich darauf hinweisen, dass die Vereinten Nationen den Aufruf gestartet haben, keine weiteren Waffen mehr an Israel zu liefern. Und das möchte ich unterstützen.»
Aus der Politik gab es parteiübergreifend viel Kritik. CSU-Chef Markus Söder sagte in München: «Antisemitismus in der Form in der Kultur ist für uns erschreckend.» Wie zahlreiche andere Politiker kritisierte er auch Kulturstaatsministerin Roth, die wie Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) im Gala-Publikum saß. Die Berlinale wird vom Bund getragen und vom Land gefördert.
Aus Sicht des Zentralrats der Juden wurde «schon wieder eine der wichtigsten Kulturveranstaltungen in Deutschland für ideologische Hetze gegen Israel und Juden missbraucht». Bei der documenta fifteen hatte es vor zwei Jahren heftige Auseinandersetzungen um antisemitische Kunstwerke gegeben.
Berlinale: «Stellen uns explizit gegen Diskriminierung und jeglichen Hass»
Damals hatte die Leitung nur zögerlich reagiert. Die Berlinale-Spitze reagierte am Tag nach der Verleihung. «Wir stellen uns explizit gegen Diskriminierung und jeglichen Hass», hieß es dort. Äußerungen von Preisträgerinnen und Preisträgern seien unabhängige individuelle Meinungen. «Sie geben in keiner Form die Haltung des Festivals wieder.» Zudem distanzierte sich die Berlinale von einem israelfeindlichen Instagram-Beitrag, der zuvor auf einem Konto einer Berlinale-Reihe veröffentlicht worden war. Der Instagram-Kanal sei gehackt, die Posts sofort gelöscht worden. Die Berlinale habe Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.