Herr Tykwer, würden Sie «Lola rennt» heute so noch drehen?
Autor: Gregor Tholl, dpa
, Montag, 21. August 2023
Vor 25 Jahren treibt «Lola rennt» den Berlin-Hype mit an. In dem Film ist eine Telefonzelle wichtig - etwas, was es heute nicht mehr gibt. Ist das Werk schlecht gealtert? Das sagt der Regisseur dazu.
Lolas Freund ruft aus einer Telefonzelle an, weil er 100.000 Mark verloren hat, die eigentlich dem Autoschieber Ronnie gehören. Gleich will der Ganove die Kohle sehen, sonst droht Manni die Müllkippe. Lolas Lover fleht «Hilf mir», sonst überfalle er um Punkt Zwölf einen Supermarkt. «Du wartest», schreit Lola resolut und rennt los. Das Geld besorgen, ihre Liebe retten, in nur 20 Minuten.
Das - rasant in drei Varianten erzählt - ist die Handlung von «Lola rennt». Das Werk von Tom Tykwer mit viel Tempo und Techno wurde vor 25 Jahren (Kinostart war im August 1998) zum Kultfilm, beeindruckte auch Hollywood und prägte global das Bild vom coolen Berlin.
Aus einem anderen Jahrhundert
Doch 25 Jahre später ist der experimentierfreudige Film trotz modernen Anscheins wortwörtlich aus einem anderen Jahrhundert und tatsächlich aus der Zeit gefallen.
D-Mark? Telefonzelle? Die ganze Dramatik von «Lola rennt» ist an die 90er Jahre gebunden. Heute hätte Manni nicht erst eine Telefonzelle suchen müssen, um Lola sein Dilemma zu schildern. Er hätte sie wohl mit dem Handy schon viel früher angerufen oder angetextet.
Und wahrscheinlich wäre das alles gar nicht passiert, weil er mit soviel heiklem Geld in der Tüte nicht die U-Bahn genommen hätte, in der er die Summe verlor, sondern per App ein Taxi bestellt hätte.
Noch von vor der Erfindung des Smartphones
«Ein großer Teil der Filme aus dem letzten Jahrhundert müsste wegen der Erfindung des Smartphones neu erzählt werden - wenn es nur auf die Geschichte ankäme», sagt Regisseur Tom Tykwer dazu. Doch davon hänge es nicht ab, ob ein Film gut oder schlecht altere. «Gute Filme schöpfen ihre Kraft nicht aus dem Plot allein, sondern aus der Schönheit ihrer Konstruktion, einer bestimmten Atmosphäre, einer Energie, manchmal auch einer außergewöhnlichen Performance.»
Filmemacher und Cineast Tykwer (58) erläutert: «Die wichtigsten Filme sind wie Vertraute oder Freunde, die uns durchs Leben begleiten. Manche verlieren wir über die Jahre aus den Augen, und plötzlich haben sie uns nichts mehr zu sagen. Zu anderen halten wir für immer eine Verbindung. Und ab und zu entdeckt man auch Perlen der Vergangenheit wieder, und verliebt sich neu.»