«Schande»: Absage an israelischen Dirigenten Shani wühlt auf
Autor: Britta Schultejans, Sabrina Szameitat und Verena Schmitt-Roschmann, dpa
, Donnerstag, 11. Sept. 2025
Ein belgisches Festival sagt kurzfristig den Auftritt der Münchner Philharmoniker mit dem Dirigenten Lahav Shani ab - unter Hinweis auf Israels Politik. Die Empörung in Deutschland ist groß.
Ein Musiker darf nicht auftreten, weil er sich angeblich nicht genug von der Regierung seines Landes abgrenze: Die Ausladung der Münchner Philharmoniker mit dem israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem belgischen Festival hat in Deutschland extrem scharfe Reaktionen ausgelöst. Wieder geht es um Antisemitismus in der Kulturszene, um die immer hitzigere Debatte über den Gazakrieg, um Freiheit der Kunst und politische «Gesinnungsprüfungen». Es geht um sehr viel.
Das Flanders Festival Ghent hatte die kurzfristige Absage des für den 18. September geplanten Konzertes damit begründet, dass der in Tel Aviv geborene Shani auch Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra ist. «Im Lichte seiner Rolle als Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestras sind wir nicht in der Lage, für die nötige Klarheit über seine Haltung dem genozidalen Regime in Tel Aviv gegenüber zu sorgen», heißt es in einer Erklärung auf der Homepage des Festivals.
Die rechtsreligiöse Regierung um Benjamin Netanjahu wird zwar auch im eigenen Land teilweise scharf kritisiert. Sie ist aber vor drei Jahren demokratisch gewählt worden. Außerdem sitzt die israelische Regierung nicht in der Küstenstadt und Wirtschaftsmetropole Tel Aviv, sondern in Jerusalem.
Shani habe sich zwar in der Vergangenheit mehrfach «für Frieden und Versöhnung» ausgesprochen, hieß es weiter in der Erklärung. Dennoch habe man entschieden, nicht mit Partnern zusammenzuarbeiten, die sich nicht eindeutig von «diesem Regime» distanziert hätten.
«Kultur-Boykott»
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer war einer der Ersten, der sich am Mittwochabend meldete. Der Fall sei eine «Schande für Europa», erklärte er. «Unter dem Deckmantel vermeintlicher Israel-Kritik wird hier ein Kultur-Boykott betrieben. Das ist blanker Antisemitismus und ein Angriff auf die Grundlagen unserer Kultur.»
Die Absage könnte sogar diplomatische Kreise ziehen. «Ich habe einen Brief geschrieben an meine belgische Amtskollegin und wir haben auch im Auswärtigen Amt die Kommunikation aktiviert, weil wir das nicht akzeptieren wollen, was dort passiert ist», sagte Weimer bei Welt TV.
Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sprach von einem der «krassesten Beispiele des aktuellen Judenhasses». Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sah einen «ganz und gar unsäglichen und zutiefst antisemitischen Vorgang». Denn es sei antisemitisch, Jüdinnen und Juden für Handlungen des Staates Israel verantwortlich zu machen, sagte Klein.