In den letzten Jahren gab es für deutsche ESC-Fans wenig Grund zur Freude, gleich mehrmals belegten die ausgewählten Acts den letzten Platz - doch das hat in Deutschland schon fast Tradition.

Der Eurovision Song Contest (ESC) bot in den vergangenen Jahren nur wenig Grund zur Freude für seine deutschen Fans. Während mancher sehnsüchtig an das "Wunder von Oslo" von 2010 zurückdenkt, als die damals völlig unbekannte 19-jährige Lena Meyer-Landrut die Herzen der Zuschauer und Jurys eroberte und den insgesamt erst zweiten Sieg für Deutschland holte, zeigten die letzten Jahre oft ein ganz anderes Bild. Seit 2015 belegten die deutschen Acts nur ein einziges Mal nicht den letzten oder vorletzten Platz. 

Michael Schulte holte 2018 mit seinem Hit "Let me walk alone" unerwartet Rang vier - das war es aber auch schon in Sachen jüngerer Erfolgserlebnisse beim ESC. In internationalen Kreisen ist es bei ESC-Fans mittlerweile schon ein Running Gag, dass entweder Deutschland oder Großbritannien auf dem letzten Platz landen wird. Deutsche Fans machen dafür oft die Auswahl der Künstler*innen verantwortlich, bei der der NDR ungern Neues wagt. 

Seit 2015: Einzig Michael Schulte mit positivem Ergebnis

Auch beim diesjährigen Vorentscheid wäre es fast wieder so gewesen: Es zeigte sich nach dem Jury-Voting ein klares Bild. Pop-Balladen, wie sie in den letzten Jahren mit solider Regelmäßigkeit floppten, standen ganz oben. Aber auch die Zuschauer*innen hatten ein Wort mitzureden und wählten kurzerhand Mallorca-Star Ikke Hüftgold auf den zweiten und die Hamburger Dark-Metal-Band "Lord of the Lost" auf den ersten Platz.

Mit diesem Stilwechsel erhoffen sich deutsche Fans endlich wieder einen Erfolg. Doch Vorsicht ist geboten, denn nicht nur in den letzten Jahren gingen die deutschen Ideen beim ESC nach hinten los. Hier folgt der gesamte Überblick über die größten deutschen Misserfolge:

  • 2022: Malik Harris - "Rockstars"
    Die Single des gebürtigen Landsbergers kam zwar in Deutschland gut an, beim ESC-Publikum dafür umso weniger. Sein Misserfolg ist der jüngste in der langen deutschen ESC-Historie.
  • 2016: Jamie-Lee - "Ghosts"
    Mit "Ghosts" holte die 24-Jährige ein Jahr vorher noch den Sieg bei der Castingshow "The Voice of Germany". In Stockholm reichte es allerdings nicht für mehr als den letzten Platz.
  • 2015: Ann-Sophie - "Black Smoke"
    Bei diesem letzten Platz muss man fast schon von einem Sonderfall sprechen: Ann-Sophie war eigentlich nur zweite im Vorentscheid geworden, durch einen Rückzieher von Andreas Kümmert rückte sie sehr kurzfristig nach - am Ende war der Misserfolg in Wien wohl auch der fehlenden Zeit geschuldet.

Historische Serie: Bringen "Lord of the Lost" endlich die Kehrtwende?

  • 2008: No Angels - "Disappear"
    Im Gegensatz zu vielen anderen sollten die "No Angels" den Meisten ein Begriff sein. Gebracht hat ihnen das beim ESC 2008 allerdings auch nicht viel - ihren letzten Platz haben die "Engel" wohl am ehesten wegen ihres schiefen Gesangs und fragwürdiger Choreo.
  • 2005: Gracia - "Run & Hide"
    Die ehemalige DSDS-Teilnehmerin Gracia war bereits vor dem ESC in den Schlagzeilen - allerdings wegen gefälschter Chartplatzierungen. Auch in Kiew lief es 2005 nicht sonderlich gut, sodass sie ebenfalls Letzte wurde. 
  • 1995: Stone and Stone - "Verliebt in Dich"
    Auch als noch auf Deutsch gesungen wurde, stießen die Beiträge beim Publikum nicht unbedingt auf Begeisterung: insgesamt einen einzigen Punkt ergatterte das Duo mit seiner Liebesballade. Anschließend zogen sie sich aus dem Showgeschäft zurück.
  • 1974: Cindy und Bert - "Die Sommermelodie"
    Das Schlagerduo hatte es damals mit starker Konkurrenz zu tun und wurde (auch) deswegen letzter. Im Gegensatz zu vielen anderen waren sie danach trotzdem sehr erfolgreich. 
  • 1965: Ulla Wiesner - "Paradies, wo bist du?"
    Ein solches Ergebnis hat man bis heute nicht mehr gesehen: In Neapel war Ulla Wiesner eine von gleich vier Teilnehmer*innen, die keinen einzigen Punkt holte.
  • 1964: Nora Nova - "Man gewöhnt sich so schnell an das Schöne"
     Schön fand man den Auftritt der deutsch-bulgarischen Schlagersängerin eher weniger - was ihr den 13. und damit letzten Platz einbrachte. Genau wie ihre Nachfolgerin Ulla Wiesner wurde sie mit null Punkten nach Hause geschickt.

Es zeigt sich durchaus ein deutliches Bild: In der langen deutschen Geschichte des ESC, oder wie es früher noch hieß, dem "Grand Prix Eurovision de la Chanson", kam es schon häufiger zu Misserfolgen. Allerdings mussten die einheimischen Fans des Wettbewerbs noch nie eine so lange "Leidenszeit" durchleben, in der jährlich die reelle Angst besteht, dass die eigenen Acts Letzter oder Vorletzter werden. Es ist also an der Zeit für ein Erfolgserlebnis in der deutschen ESC-Welt und mit dem radikalen Stilwechsel hin zu den in Lack und Leder und mit heftigem Make-up auftretenden Lord of the Lost, sind die Voraussetzungen in diesem Jahr endlich wieder vielversprechend.