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Wollte Kölner Polizei die sexuellen Übergriffe verheimlichen?


Autor: Redaktion

Köln, Freitag, 08. Januar 2016

Nach den sexuellen Übergriffen an Silvester in Köln ist die Aufarbeitung in vollem Gang. Der Polizei wird vorgeworfen, die Herkunft der Verdächtigen verheimlicht zu haben.
Schwere Vorwürfe gegen die Polizei nach den sexuellen Übergriffen an Silvester in Köln. Foto: Maja Hitij/dpa


Nach den massiven Übergriffen auf Frauen in Köln in der Silvesternacht wird über härtere Strafen und umfangreichere Sicherheitsvorkehrungen diskutiert. Die CDU-Spitze fordert deutliche Gesetzesverschärfungen. So sollen bei "erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" verdachtsunabhängige Personenkontrollen eingeführt werden - die sogenannte "Schleierfahndung".

Das geht aus dem Entwurf für die "Mainzer Erklärung" hervor, die bei einer Klausur des CDU-Vorstands am Freitag und Samstag verabschiedet werden soll. Die Kölner Polizeiführung gerät derweil zunehmend unter Druck. Sie muss sich des Vorwurfs erwehren, Informationen nicht frühzeitig veröffentlicht zu haben. Verantwortliche der Polizei sollen nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeigers" (Freitag) die Herkunft der Tatverdächtigen absichtlich verheimlicht haben. Unter anderem geht aus einem Protokoll eines leitenden Bundespolizisten hervor, dass die Verantwortlichen Ausmaß und Dramatik der Lage in Köln frühzeitig gekannt haben müssen.

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, hat versichert, dass der Kölner Polizei vom Land NRW Kräfte für den Einsatz in der Silvesternacht am Hauptbahnhof verweigert wurden. "Ich kann das bestätigen", erklärte Malchow auf eine entsprechende Frage im Fernsehsender phoenix. Es habe die Anforderung aus Köln auf 100 zusätzliche Kräfte gegeben, "30 sind dann zusätzlich gestellt worden", so der GdP-Chef. Dies sei nicht untypisch für solche Ersuchen und Realität.


Innenminister fordert härtere Strafen

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat verschärfte Sicherheitsvorkehrungen angekündigt: "Wir müssen alles dafür tun, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen", sagte de Maizière der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Freitagausgabe). Dazu gehörten "vorbeugende Aufklärung, mehr Videoüberwachung auf Plätzen, wo sich viele Menschen versammeln, Präsenz auf der Straße und harte Strafen".

Selbstverständlich gehöre dazu auch, dass ausländische Straftäter bei erheblichen Straftaten aus Deutschland ausgewiesen würden, sagte de Maizière. "Ob hier nach der von mir angestoßenen und zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretenen Neuordnung des Ausweisungsrechts weiterer Gesetzgebungsbedarf besteht, schauen wir uns jetzt an. Sollte das so sein, werde ich entsprechende Vorschläge machen."


Polizeigewerkschaft garantiert Sicherheit für Karneval

Vier Wochen vor Beginn des rheinischen Karnevals hat die GdP Entwarnung gegeben. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag) sagte der nordrhein-westfälische GdP-Chef Arnold Plickert, er erwarte nicht, dass sich ähnliche Gewaltexzesse wie an Silvester nochmals ereignen würden.

"Die Frauen können sich ohne Sorgen in Köln bewegen," sagte Plickert. Die Polizei werde ihre Einsätze jetzt ganz anders planen und ausreichend Beamte zusammenziehen. "Wir werden dann pro-aktiv große Gruppen auflösen", sagte der Gewerkschaftschef. "Ich gehe davon aus, dass wir an Karneval nicht mit 80, sondern vielleicht mit mehreren 100 Polizisten auf dem Platz sein werden." Er erwarte auch nicht, dass dieselbe Gruppe wie an Silvester jetzt kurzfristig erneut zusammenkommen werde.

Nach Plickerts Einschätzung sind die Hauptbahnhöfe in Deutschland sicher. "Dass jetzt jeden Abend in Köln massiv Polizeikräfte stehen, ist eine Reflex-Reaktion." Es sei nicht richtig, an den Bahnhöfen Polizisten mit Maschinenpistolen zu positionieren. "Damit verunsichern wir die Menschen doch nur."

Der GdP-Landeschef forderte, Polizeibeamte im Einsatz - etwa auf Party-Meilen - mit sogenannten Bodycams auszustatten. Diese Kameras werden auf der Schulter angebracht, kosten rund 500 Euro und filmen die Gesichter des Gegenübers. "Da hätten wir jetzt gut dokumentieren können, wie aggressiv die Täter waren", sagte Plickert. "Da könnten wir vernünftig Beweissicherung betreiben." Er mache sich wenig Hoffnungen, dass im Nachhinein viele Täter von der Silvesternacht in Köln ermittelt werden könnten. Plickert forderte zudem, die Hürden für die Abschiebung von ausländischen Straftätern zu senken.


30 Prozent wollen Menschenansammlungen meiden

Nach den Silvester-Übergriffen von Köln will knapp jeder dritte Bürger in Deutschland (30 Prozent) größere Menschenansammlungen meiden. Unter den Frauen sind es dem ARD-"Deutschlandtrend" zufolge sogar mehr als ein Drittel (37 Prozent).

Bei der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap sprachen sich 82 Prozent der Befragten für die nun diskutierte Ausweitung der Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen aus. Weniger als ein Fünftel der Teilnehmer an der Umfrage lehnen dies ab. An der Telefonumfrage am Mittwoch (6. Januar) nahmen 500 Menschen ab 18 Jahren teil, die in Deutschland wahlberechtigt sind.

Während die CSU bei der Flüchtlingsobergrenze nicht locker lässt, findet die Forderung in der Bevölkerung immer weniger Befürworter. Nach dem am Donnerstag veröffentlichten ARD-Deutschlandtrend sprechen sich 61 Prozent für eine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus. Das sind elf Prozentpunkte weniger als im Dezember. 36 Prozent lehnen ein festgelegtes Limit ab. Gleichzeitig zeigen die Befragten aber größere Zustimmung zu Regeln für die Integration und zu Grenzkontrollen.

So halten es der Umfrage zufolge 75 Prozent für richtig, ein Gesetz einzuführen, um Zuwanderer auf deutsche Grundwerte zu verpflichten. Im Dezember waren zwei Prozentpunkte weniger dieser Überzeugung. 20 Prozent lehnen eine solche Regelung ab. Die CDU hatte sich auf ihrem Parteitag im Dezember für ein Integrationspflichtgesetz ausgesprochen. Auch die CSU macht sich dafür stark.

57 Prozent der Deutschen finden laut ARD-Deutschlandtrend die Wiedereinführung von Grenzkontrollen richtig, wie sie in dieser Woche in Schweden und Dänemark beschlossen wurde. Das sind zwölf Prozentpunkte mehr als im September, als Deutschland vorübergehend wieder Kontrollen an den Grenzen einführte. 41 Prozent finden sie nicht richtig.

Etwa die Hälfte der Bevölkerung (51 Prozent) befürwortet es, Flüchtlingen ohne gültige Ausweispapiere die Einreise zu verweigern. 44 Prozent sind dagegen.

Insgesamt ist dem ARD-Deutschlandtrend zufolge die Skepsis gegenüber Zuwanderung im Vergleich zum November etwas gesunken. 41 Prozent (minus drei Prozentpunkte) sehen darin für Deutschland eher Nachteile. 38 Prozent der Befragten bewerten Zuwanderung als eher vorteilhaft (plus ein Prozentpunkt). 15 Prozent sind der Auffassung, dass sich beides die Waage halten wird. Für den ARD-Deutschlandtrend wurden Anfang der Woche 1.004 Personen in Deutschland telefonisch befragt.