Ein Intelligenzquotient von 130 und mehr kann auch eine Belastung sein. Eine Studie untersuchte jetzt, wie sich Hochbegabte in Regelklassen entwickeln und wie in speziell für sie eingerichteten Klassen. Ergebnis: In den Spezialklassen ergab sich ein deutlicher Leistungsvorsprung.
Sie langweilen sich, sie provozieren, sie hinterfragen , sie nerven Mitschüler und Lehrer gleichermaßen: hochbegabte Schüler, die in Regelklassen oft unterfordert sind. Das Hauptproblem: Hochbegabte stehen nicht im Mittelpunkt bildungspolitischer Überlegungen. Kultusminister machen sich eher Gedanken, wie denn unter pädagogischen Gesichtspunkten die große Mehrheit der Normalschüler möglichst effektiv gefördert werden kann.
Vor diesem Hintergrund haben die Länder Bayern und Baden-Württemberg schon seit einigen Jahren spezielle Klassen ausschließlich für hochbegabte Schüler eingerichtet. Auch in Franken beteiligen sich drei Gymnasien: das Deutschhaus-Gymnasium in Würzburg, das Dürer-Gymnasium in Nürnberg und das Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasium in Bayreuth.
Die Schüler werden in den Hochbegabtenklassen ihren Veranlagungen entsprechend gefördert, dürfen Projekte realisieren statt Intensivierungsstunden zu besuchen, können freiwillige Zusatzkurse belegen. Die Angebote reichen von Theater und Musik bis zu naturwissenschaftlichen Experimenten. Wer in eine solche Modellklasse aufgenommen werden will, muss entsprechende Tests bestehen. Der IQ muss nicht gleich bei 130 liegen, 120 tut es auch.
Wissenschaftler der Universitäten Trier, Würzburg und Erlangen untersuchten über einen Zeitraum von vier Jahren im Rahmen der Pulss-Studie ("Projekt für die Untersuchung des Lernens in der Sekundarstufe"), wie sich die Zusammenlegung Hochbegabter in Spezialklassen auf deren Leistung auswirkt. Und sie verglichen diese Werte mit denen von Hochbegabten, die eine normale Regelklasse besuchten.
Deutlicher Leistungsvorsprung in allen Tests
Das Ergebnis spricht eine deutliche Sprache. "Schüler der Hochbegabtenklassen zeigen in all unseren Tests einen deutlichen Leistungsvorsprung," erklärt der Würzburger Psychologieprofessor Wolfgang Schneider, der die Studie koordiniert hatte. Egal, ob Deutsch, Mathematik, Englisch oder Biologie, in all diesen Fächern schnitten Schüler aus Hochbegabtenklassen deutlich besser ab. Auch die Lesegeschwindigkeit nahm im Untersuchungszeitraum stärker zu als bei Kindern, die vergleichbare Regelklassen besuchten. Untersucht wurden über einen Zeitraum von vier Jahren mehr als 1000 Schüler aus acht Gymnasien in Bayern und Baden-Württemberg.
324 dieser Schüler stammten aus speziellen Klassen für Hochbegabte.
Für die Wissenschaftler besonders interessant: Den großen Leistungsvorsprung zeigten hochbegabte Schüler der Spezialklassen auch im Vergleich zu ebenfalls überdurchschnittlich begabten Kindern in Regelklassen. Damit hatte man nicht unbedingt gerechnet.
Wo liegen die Gründe für das gute Abschneiden? Da halten sich die beteiligten Wissenschaftler eher bedeckt. Weil nach Aussage der Privatdozentin Eva Stumpf die Studie hier keine gesicherten Aussagen zulasse. Aber: Hochbegabte seien offensichtlich per se in der Lage, sich bestimmte Kompetenzen schneller anzueignen. Und: In Hochbegabtenklassen seien die Leistungsmöglichkeiten homogener, die Förderung anspruchsvoller - mit entsprechend positiven Ergebnissen.
Angebot soll der Nachfrage entsprechen
Wie sehen mögliche Schlussfolgerungen aus? Für Wolfgang Schneider ist klar: Spezielle Klassen für hochbegabte
Schüler sollte es überall dort geben, wo ausreichend Nachfrage besteht. In der Konsequenz laufen die Ergebnisse der Studie dem derzeitigen Trend zur Inklusion entgegen.
Im Gegenteil sprächen sie im Fall hoher intellektueller Fähigkeit eher dafür, nach Begabung und Fähigkeiten zu trennen, so Schneider. Für einen solchen Ansatz spricht nach Einschätzung der Wissenschaftler vor allem ein Aspekt: Heutzutage wechsle ein weitaus größerer Prozentsatz eines Jahrgangs ans Gymnasium als noch vor 20 oder 30 Jahren. Die Leistungsunterschiede würden deshalb so groß, dass sie von Lehrern kaum mehr bewältigt werden könnten.