Druckartikel: Wenn Stärke schwach macht

Wenn Stärke schwach macht


Autor: Hubert Zöller

Bamberg, Donnerstag, 22. November 2012

Wenn Israel Frieden will, darf es sich nicht nur auf seine militärische Stärke verlassen.
Israelische Panzer an der Grenze zum Gazastreifen Foto: Atef Safadi


Wer aus der Geschichte nichts lernt, ist verdammt, sie zu wiederholen. Das gilt auch für Israels Regierung. Der jüngste Gaza-Konflikt erinnert fatal an den letzten Libanon-Krieg. Damals ging es um den Schutz vor Raketenangriffen der Hisbollah, heute um den Schutz vor Angriffen der Hamas. Damals wie heute hat man sich auf den Status quo ante geeinigt. Das Ziel, die Bedrohung des Landes zu beenden, wurde nicht erreicht. Hisbollah und Hamas sitzen dagegen fester im Sattel als zuvor. Längst haben sie sich als eigenständige Kräfte in der Region etabliert, die nicht mehr auf ihre Ziehväter in Damaskus und Teheran angewiesen sind.

Der Konflikt ist militärisch nicht zu lösen.

Selbst wenn Israel in den Gazastreifen einmarschiert wäre, dort jeden Quadratmeter durchkämmt und jegliche militärische Infrastruktur zerstört hätte, es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Militanten wieder aufgerüstet hätten.

Israel hat sich in eine Sackgasse manövriert. Im Vertrauen auf seine militärische Überlegenheit und mit Rücksicht auf die Siedlerlobby hat die Regierung Netanjahu seit Jahren den Friedensprozess um keinen Millimeter vorangebracht und so die gemäßigten Kräfte bei den Palästinensern immer weiter geschwächt. Palästinenserpräsident Abbas und seine Fatah haben nichts erreicht. So hat Israel selbst die Stellung der Hamas bei den Palästinensern gestärkt.

Will Israel Sicherheit, nützt ihm seine militärische Stärke auf Dauer nichts. Es wird um ernsthafte Verhandlungen nicht herumkommen - mit den gemäßigten Palästinensern, aber auch mit der Hamas.

Auch hier hilft ein Blick in den Libanon. Es ist durchaus bemerkenswert, dass es an der Nordgrenze Israels während des Gaza-Konflikts ruhig geblieben ist. Die Hibollah ist heute eine bestimmende Kraft im Libanon. Im Bündnis mit Drusen und Christen bestimmt sie die Regierung des Landes. Diese Position will sie nicht durch einen Konflikt mit Israel gefährden. Hier herrscht Realpolitik trotz allen ideologischen Getöses.

Es ist durchaus denkbar, dass sich die Situation in Gaza ähnlich entwickeln könnte. Die Hamas könnte zu einem stabilisierenden Faktor werden, die im eigenen Machtinteresse die noch extremistischeren Kräfte in ihrem Herrschaftsbereich im Zaum hält. Hier decken sich die Interessen Israels und der Hamas. Das klingt unwahrscheinlich, aber es hat in der Vergangenheit Ansätze in diese Richtung gegeben. Allerdings müssen sich dazu die Realpolitiker gegen die Ideologen durchsetzen - auf beiden Seiten.