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Telefonaktion zum guten Hören: Das sagen die Experten


Autor: Irmtraud Fenn-Nebel

Bamberg, Montag, 28. Januar 2019

Von Tinnitus bis Hörminderung: Was Experten raten.
Schlecht hören tut nicht weh. Aber es trennt vom Leben. Foto: Ronald Rinklef


Wir wollen nicht um den heißen Brei herumreden: Die Resonanz auf unsere Telefonaktion zum Thema "Gutes Hören" am 22. Januar war so groß, dass nicht alle Leser bei den von uns eingeladenen Experten durchkamen. Das tut uns leid, aber in der folgenden Zusammenfassung werden die wichtigsten Fragen beantwortet.

Am Redaktionstelefon saßen zwei Spezialisten für die Diagnose und Therapie von Hörminderungen: Ulrich Hoppe ist Professor für Audiologie an der Uni Erlangen und Leiter des Cochlear-Implant-Centrums der Hals-Nasen-Ohren-Uniklinik (HNO), Joachim Albert Hornung ist Leitender Oberarzt und stellvertretender Direktor der HNO-Uniklinik Erlangen.

Gemeinsam sind die beiden auch für das Hörzentrum Nordbayern im Einsatz. Die Einrichtung ist an die HNO-Klinik angegliedert und eine Anlaufstelle für Hörminderungen in jedem Alter. Dort sind sie täglich mit Fragen beschäftigt, die auch unsere Leser bewegen.

Ist der Tinnitus daran schuld, dass ich mit meinen Hörgeräten nicht zurechtkomme?

Nein. Ursächlich ist die Schwerhörigkeit. Der Tinnitus ist ein zusätzliche Störung und eine Folge der Schwerhörigkeit. Viele Menschen mit Schwerhörigkeit haben Tinnitus. Im Vordergrund steht, die Schwerhörigkeit richtig zu behandeln.

Andersherum gefragt: Kann ein Hörgerät bei einem vorhandenen Tinnitus helfen?

Ja. Weil die Umgebung besser wahrgenommen und der Tinnitus dadurch in schlimmen Fällen verdeckt wird oder weniger deutlich für den Patienten ist. Das ist eine Therapiemaßnahme, die häufig greift.

Und was hilft sonst bei Tinnitus?

Einen chronischen Tinnitus als solchen kann man nicht abschalten. Dafür gibt es keine Therapie, kein Medikament, kein sonstiges Verfahren. Bei einem chronischen Tinnitus muss man versuchen, damit entspannt umzugehen. Er kann ein Signal dafür sein, dass etwas im Leben nicht in Ordnung ist. Oft helfen verschiedene Methoden zusammen, auch eine Verhaltenstherapie. Tinnitus ist nur das Symptom und keine Ursache.

Ich habe sehr teure Hörgeräte, aber sie helfen nicht. Was raten Sie mir?

Nicht das teuerste Hörgerät ist das richtige, sondern das, das passt. Das können Sie mit Schuhen vergleichen: Teure Schuhe können drücken, die Turnschuhe für 50 Euro können perfekt sein. Die Qualität eines Hörgeräts liegt nicht unbedingt in der Technik, sondern in der Anpassung durch den Hörakustiker. Der eigentliche "Wert" liegt in der Programmierung, die der Akustiker gemacht hat.

Kann man guten Gewissens Hörgeräte zum Nulltarif nehmen?

Man muss auch als Kassenpatient nicht unbedingt Zuzahlung für Hörgeräte leisten. Hörgeräte zum Nulltarif gibt es überall und für jeden. Nur wenn man Zusatztechniken für spezielle Ansprüche in bestimmten Situationen haben möchte, muss man das selbst bezahlen. Die Hörgeräte, die es heute zum Nulltarif gibt, waren vor zehn Jahren die teueren Modelle.

Ich bin 70 Jahre alt und komme beim unterhalten und Fernsehschauen noch ganz gut zurecht. Aber in Gesellschaft höre ich einfach schlecht. Was ist zu tun?

Suchen Sie einen HNO auf und machen Sie einen Hörtest. Wenn Sie in den Bereich fallen, wo Hörgeräte von der Kasse bezahlt werden, sollten Sie sich die auch anpassen lassen. Und dann täglich möglichst viel tragen, um sich an den Klang zu gewöhnen. Wenn man zu spät mit dem Hörgerät anfängt, gewöhnt man sich schlecht oder nicht daran.

Ich scheue mich davor, Hörgeräte zu tragen. Was kann im schlimmsten Fall passieren?

Das schlechte Hören kann eine Demenzentwicklung fördern. Wenn man die ersten Anzeichen spürt, auch wenn Hörgeräte in manchen Situationen nicht unbedingt als notwendig empfunden werden, sollte man aktiv werden. Sonst vermeidet man bestimmte Situationen und geht vielleicht nicht mehr abends weg, lässt beim Einkaufen den Begleiter reden, setzt sich bei Feiern abseits oder geht früher. Wenn man das selbst oder wenn andere das beobachten, sollte man etwas unternehmen. Auch wenn man sonst nicht auf den Ehepartner hört - in diesem Fall sollte man das tun. Die Angehörigen bekommen eine Hörminderung schneller mit.

Wo kann ich einen Hörtest machen lassen?

Beim Akustiker und Arzt. Es gibt auch Tests im Internet (siehe Beitrag unten auf dieser Seite).

Ich wurde vor 30 Jahren am Ohr operiert und höre jetzt schlechter. Kann man doch noch etwas machen?

Heute gibt es Möglichkeiten, die Verbesserungen bringen. Die Methoden haben sich verbessert, es gibt implantierbare Hörgeräte, neue Ohrprothesen, implantierbare Knochenleitungshörgeräte. Vieles ist schon besser als noch vor zehn Jahren. Wenden Sie sich an ein Hörzentrum in einer großen Klinik.

Mein Mann hat schon das stärkste Hörgerät und kommt nicht zurecht. Welche Möglichkeiten gibt es jetzt noch?

Da gibt es immer noch die Möglichkeit, dass man den Hörnerv über ein implantiertes Hörgerät direkt stimuliert und damit das Innenohr ersetzt. Diese Methode nennt sich Cochlea-Implantat.

Ist diese OP gefährlich?

Es ist in routinierten Händen ein kleiner Eingriff von etwa einer Stunde. Der hoch standardisierter Eingriff kann selbst bei Patienten im hohen Alter noch durchgeführt werden. Der älteste Patient in unserem Hörzentrum war 93.

Man hört immer von Cortison-Behandlungen bei einem Hörsturz. Ist das eine sinnvolle Therapie?

In den Leitlinien der Deutschen HNO-Gesellschaft ist die Kortisongabe als Therapiealternative bei einem Hörsturz angegeben. Man geht davon aus, dass es im Moment die einzig sinnvolle Therapie ist, aber es ist nicht klar, ob als Spritze oder Tabletten. Man kann jedoch zunächst auch einige Tage abwarten, weil Hörstürze in 40 bis 60 Prozent der Fälle von alleine abheilen. Mit Kortison werden 70 Prozent wieder gut. Weil aber auch dies nicht durch verlässliche Studien wirklich belegt ist, nehmen wir mit dem Hörzentrum zurzeit an einer Studie teil, die unterschiedliche Kortisontherapien miteinander vergleicht.