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Studie zu Burn-Out: Psychische Erkrankungen wegen Job nicht häufiger als früher


Autor: Thomas Lange

München, Donnerstag, 05. November 2015

Das Risiko für psychische Erkrankungen wegen des Berufs ist heutzutage nicht höher als früher - trotz der vermeintlich steigenden Anforderungen der Arbeitswelt. Das ergab eine Studie, die am Donnerstag vorgestellt wurde.
Foto: Oliver Berg dpa


Der gängige Begriff Burnout bezeichnet, eher vage, psychische Erkrankungen, die immer wieder in Zusammenhang gebracht werden mit der sich verändernden Arbeitswelt: Die Anforderungen steigen, und sie können sich verdichten bis hin zur Überforderung.

Diesem Eindruck ist die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) am Donnerstag mit einer Studie entgegen getreten, die sie beim Max-Planck-Institut für Psychiatrie in Auftrag gegeben hat. Das Ergebnis fasste Professor Florian Holsboer, ehemaliger Leiter des Instituts, so zusammen: "Arbeit ist weder Schutz- noch Risikofaktor für psychische Erkrankungen."


Nicht mehr Erkrankungen in der Arbeitswelt als früher

Dies ist nicht das einzige Ergebnis, das konträr steht zur aktuellen Diskussion. Die Studie, so Holsboer, zeigt "keine Hinweise auf eine Zunahme psychischer Erkrankungen" in den letzten zehn Jahren.
Statistiken der DAK zeigen aber, dass sich die Zahl der Fehltage wegen psychischer Erkrankung verdreifacht hat seit 1997.

Diese Diskrepanz erklärt Holsboer so: "Es gibt keine Zunahmewelle, sondern eine Akzeptanzwelle." Soll heißen: Patienten und Ärzte sind heute wesentlich sensibler für psychische Probleme. Wurden sie früher oft verschwiegen, so werden sie nun häufiger erkannt und als solche diagnostiziert. Holsboer: "Vor zehn Jahren hat niemand gewusst, was Burnout ist."

Seine Erkenntnisse fußen auf einer Langzeit-Studie, die wiederum basiert auf der Begleitung einer repräsentativen Gruppe, die ursprünglich, im Jahr 1995, aus rund 3000 Personen im Alter von 14 bis 24 Jahren bestand. Die sind nun 20 Jahre älter, und die Häufigkeit psychischer Erkrankungen blieb konstant.

Zudem trafen sie, wenn sie auftraten, Berufstätige in etwa gleicher Häufigkeit wie die Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen.


Auslöser sind nicht die Arbeitsbedingungen

"Auslöser sind nicht die Arbeitsbedingungen," sagte Holsboer. Als eigentliche Ursache nannte er, etwa zu gleichen Teilen, eine genetisch bedingte Veranlagung und eine "erworbene Disposition" durch traumatische Erlebnisse vor allem in der Kindheit.

Der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossardt, nannte die Studie einen wissenschaftlich fundierten Beitrag zur Versachlichung einer Diskussion, die geprägt ist von "platten Behauptungen, dass die Ursachen für psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt liegen".

Er betonte aber, dass sein Verband und die bayerischen Mitgliedsbetriebe das Problem sehr ernst nehmen. Kein anderer Arbeitgeberverband setze so stark auf Beratung und Schulung inden Betrieben sowie auf rasche Hilfe für die Betroffenen. Dies schon "weil allein in Bayern durch Produktions- und Arbeitsausfälle Kosten von rund 3,5 Milliarden Euro entstehen".


Gegen Anti-Stress-Gesetz

Vehement trat Brossardt aber Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) entgegen, die die Wirtschaft mit einer "Anti-Stress-Verordnung" überziehen will. Da werde Arbeit negativ besetzt mit der Unterstellung, dass sie psychisch krank macht.

Brossardt: "Wenn man glaubt, so etwas in eine Verordnung zu gießen, dann muss man schon sehr schräg drauf sein."