Seelische Gesundheit: Wie geht es Kindern und Jugendlichen?
Autor: Yuriko Wahl-Immel, dpa
, Donnerstag, 09. Oktober 2025
Was braucht es für eine gesunde Kinderseele, was sind Risiken? Welche Hürden gibt es in Zeiten, in denen sozialen Aktivitäten oft ins Netz verlagert und Pandemie-Folgen noch spürbar sind?
Klimakrise, Berichte über Kriege und Konflikte, Social Media im Dauermodus, Pandemie-Nachwirkungen, individuelle Stressfaktoren: Wie steht es um die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen? Psychologen und Therapeutinnen sehen Licht und Schatten.
Die gute Nachricht
Psychotherapeutin Andrea Stippel spricht von einer starken Jugend, die sich insgesamt überwiegend gut mit aktuellen Themen und Herausforderungen auseinandersetzen könne. Psychiater Veit Roessner aus Dresden beobachtet: «Die Mehrheit ist psychisch stabil.» Die Bochumer Psychologin Silvia Schneider sagt: «Die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen ist psychisch gesund, wobei das nicht bedeutet, dass alle immer nur happy und glücklich sind.»
Aber: Die Zahl der Heranwachsenden mit seelischen Problemen nimmt zu
Die Experten sind sich einig: Die Belastungen haben spürbar zugenommen. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, denen es psychisch schlecht geht, steige seit Jahren, nicht nur in der Pandemie-Phase mit einem zusätzlichen Peak, sagt Schneider von der Universität Bochum, Direktorin des Forschungs- und Behandlungszentrums für psychische Gesundheit. Etwa ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen habe im Lebensverlauf einmal mit behandlungsbedürftigen psychischen Störungen zu tun.
Was macht seelische gesunde Kinder aus?
«Seelisch gesunde Kinder und Jugendliche verfügen über Fähigkeiten, die ihnen ein aktives und konstruktives Leben ermöglichen. Dazu zählen emotionale Kompetenzen wie das Wahrnehmen, Ausdrücken und Regulieren von Gefühlen, ein stabiles Selbstwertgefühl sowie das Vertrauen in die eigene Wirksamkeit», beschreibt Roessner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Dresden. Nach Belastungen finden sie wieder ins Gleichgewicht.
Sie verfügen über Empathie, können Freundschaften schließen und Konflikte lösen, sind offen für neue Erfahrungen, bewältigen ihren Alltag in Schule und Freizeit. Therapeutin Schneider ergänzt: «Ein seelisch gesundes Kind fühlt sich akzeptiert und sozial verbunden, lernt mit Krisen umzugehen und hat die Gabe, mit einer gewissen Anpassungsfähigkeit gut mit unterschiedlichen Lebensumständen umzugehen und eine Balance zu finden zwischen Freude, aber auch Annehmen und Überwinden von Trauer.»
Es gibt bestimmte wichtige Faktoren und Voraussetzungen
Stabile Bindungen, ein unterstützendes und gewaltfreies familiäres Umfeld, materielle Sicherheit, soziale Teilhabe sowie ein positives Klima um die Kinder und Jugendlichen herum sind wichtige Faktoren. Solche Umweltfaktoren machen aber nur einen Teil aus, wie Roessner betont.
«Seelische Gesundheit entsteht im Zusammenspiel von genetischen Voraussetzungen, individuellen Ressourcen und förderlichen Umweltbedingungen.» Problematisch: Eltern mit eigenen psychischen Belastungen - und damit meist auch Risiko-Genen - könnten ihren Kindern oft nicht die nötigen stabilen Bedingungen verschaffen.