Fake-Tipps auf Tiktok: Ärzte warnen vor gefährlichen Trends
Autor: Anja Sokolow, dpa
, Sonntag, 28. Sept. 2025
Wie gefährlich können Gesundheits-Influencer sein? Experten warnen vor Desinformation und fordern strengere Regeln auf Instagram und Tiktok.
Eigenurin gegen Halsschmerzen, Power-Pflaster für mehr Energie und Vitamine gegen Unfruchtbarkeit: In sozialen Medien versprechen selbst ernannte Gesundheits-Influencer oft das Blaue vom Himmel. Der Berliner Arzt Jasper Iske fragt sich da immer wieder: «Boah, was erzählen die Leute eigentlich für einen Mist?» In seinen Instagram- und TikTok-Videos nimmt Iske solche Influencer aufs Korn – und zerlegt deren teils haarsträubende Behauptungen mit medizinischem Sachverstand und satirischem Biss.
Comedy mit ernster Botschaft
Was bei Iske nach Comedy aussieht, hat einen ernsten Hintergrund: Er will aufzeigen, dass Marketing und Reichweite oft wichtiger sind als wissenschaftlich belegte Wirksamkeit. Anti-Aging-Produkte sind ihm ein besonderer Dorn im Auge. «Das ist alles sinnlos, es hat keinen Effekt – alles Müll», sagt der Arzt am Deutschen Herzzentrum Berlin, der selbst in der Anti-Aging-Forschung für transplantierte Organe tätig ist. Der Mediziner erforscht Möglichkeiten, den Alterungsprozess von Organen zu verlangsamen oder zu stoppen.
Was ihn auch ärgert: Influencer, die sich als medizinisches Personal bezeichnen, aber noch keine Ausbildung beendet haben, wie zum Beispiel «angehende Ärzte». «Das ist man ja auch schon mit 18, wenn man die Immatrikulationsbescheinigung für ein Medizinstudium in der Hand hat», sagt er.
Mit nüchternen Fakten komme man gegen die Welle der Desinformation und Schwurbelei im Netz nicht an, meint der 30-Jährige. Ein zugespitztes, Social-Media-taugliches Format sorge eher für Aufmerksamkeit, sagt der Wissenschaftler, der auch mal fragt: «Wollt Ihr mich verarschen?»
Zwischen Aufklärung und Kommerz
Seine Leidenschaft für Videos entdeckte der Arzt bereits als Student – beim Schneiden von Urlaubsclips. Jetzt dreht er seine Clips in freien Stunden im Krankenhaus.
Iske ist nicht allein mit seinem Anliegen. «Einige Kanäle werden von echten Ärztinnen und Ärzten betrieben, die mit viel Herzblut gegen die Flut unseriöser Angebote ankämpfen», sagt Gesa Schölgens vom Faktencheck Gesundheitswerbung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Diesen seriösen Influencern stünden zahlreiche Mediziner gegenüber, die unzulässig für Produkte wie Trackinguhren, Hormontests oder Vitamininfusionen werben.
Baby-Darmkuren und Krebstherapie mit Aprikosenkernen
Die Verbraucherzentrale beobachtet laut Schölgens einen bedenklichen Trend: Viele Healthfluencer, die von Verbrauchern gemeldet werden, agieren nicht nur aus kommerziellem Interesse. Sie machten zudem auch Gesundheitsversprechen für Produkte und «Behandlungen», die rechtlich unzulässig und teils gefährlich seien – von Baby-Darmkuren über selbstgemachte Sonnencreme bis hin zu angeblichen Krebstherapien mit Aprikosenkernen.