Deutschland trinkt weniger – doch ist das ein Kulturwandel?
Autor: Larissa Schwedes, dpa
, Dienstag, 23. Dezember 2025
Von Glühwein bis Crémant: Um die Feiertage ist Alkohol besonders präsent. Doch verzichten mehr Menschen als früher ganz auf Alkohol.
Jeder Tropfen ist einer zu viel – so lässt sich die jüngere Forschung rund um den Konsum von Alkohol zusammenfassen. Eine große Studie im «Journal of Studies on Alcohol and Drugs» stellte im vergangenen Jahr klar: Alkohol ist auch dann nicht gesundheitsfördernd, wenn er in Maßen genossen wird. Im «British Medical Journal» warnten Wissenschaftlicher in diesem Herbst: Jeder Tropfen erhöhe wahrscheinlich das Risiko für Demenz. Und auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung betont in einer aktualisierten Empfehlung: Risikofrei lebt nur, wer komplett auf Alkohol verzichtet.
Und tatsächlich: In einer großen Gesundheitsumfrage des Robert Koch-Instituts gab gut jeder Fünfte (21 Prozent) der Erwachsenen an, keinen Alkohol zu trinken. Im vergangenen Jahr wurde mit 579 Millionen Litern fast doppelt so viel alkoholfreies Bier produziert wie noch zehn Jahre zuvor. Der Marktanteil beträgt nach Angaben des Deutschen Brauer-Bunds inzwischen neun Prozent. In Berlin und anderen Metropolen kann man fancy Null-Promille-Cocktails in ästhetisch ansprechenden Bars schlürfen und auch in der offiziellen Statistik des Jahrbuchs Sucht ist mittlerweile erkennbar: Im Vergleich zu den 90er Jahren wird heute weniger getrunken.
«Follow the Science»?
Hören wir als Gesellschaft beim Alkohol also tatsächlich auf das, was die Wissenschaft empfiehlt? Verzichten wir zugunsten der Gesundheit auf Rausch und Exzess? Vielleicht teilweise. Doch die Gründe sind vielschichtig – und das Bild auch etwas komplexer.
«Der Pro-Kopf-Konsum geht zurück und das schon seit einiger Zeit», hält Suchtforscherin Carolin Kilian vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur fest. «Er liegt allerdings immer noch auf einem sehr, sehr hohen Niveau. Auch im europäischen Vergleich ist das ein sehr kleiner Rückgang.»
Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) belegen: Pro Kopf wird in der deutschen Bevölkerung ab 15 Jahren noch immer 10,6 Liter reiner Alkohol pro Kopf getrunken – das liegt deutlich über dem Durchschnitt der OECD-Länder (8,5 Liter).
Zudem sieht der seichte Rückgang in Deutschland nicht in allen Gruppen gleich aus: «Vor allem Männer trinken weniger als früher – Frauen nicht unbedingt», so Kilian. Bei ihnen habe das Rauschtrinken sogar eher zugenommen. Rollenbilder hätten sich gewandelt. «Es ist nicht mehr ganz so fest verankert, dass Männer sehr viel trinken. Und es ist nicht mehr so stigmatisiert, dass Frauen überhaupt trinken.» Zudem gebe es immer mehr geschlechtsspezifische Werbung, in der Frauen mit Alkohol ihre Erfolge oder Freundschaften feiern.
Deutlicher Rückgang bei Jüngeren
Bei den 12- bis 25-Jährigen ist zwar das Ausmaß des Rauschtrinkens nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Jahr 2023 wieder auf das Niveau von vor der Corona-Pandemie gestiegen. Doch insgesamt ist der Alkoholkonsum in dieser Altersgruppe deutlich geringer als noch vor 20 Jahren. Rund 7 Prozent der Mädchen und gut 12 Prozent der Jungen im Alter von 12 bis 17 Jahren gaben in der Befragung an, mindestens einmal wöchentlich Alkohol zu trinken. Im Vergleich zu 2004 haben sich diese Werte mehr als halbiert.