Belangloses in Serie – Scrollen Kinder sich um den Verstand?
Autor: Annett Stein, dpa
, Dienstag, 02. Dezember 2025
Mit einem Smartphone als Geschenk ist der Weg in soziale Medien nicht mehr weit. Experten sehen Folgen für den Einzelnen, Gesellschaften und die Zukunft dieser Welt. Wird es Zeit für mehr Dumbphones?
Ein Smartphone wird auch in diesem Jahr bei etlichen Kindern unterm Weihnachtsbaum liegen. «Kannst du das Handy mal weglegen?» kann dann schneller zum Standardsatz werden, als viele Eltern ahnen. Mal eben bei Tiktok oder Snapchat geschaut und hängengeblieben – schon wieder ist eine Stunde Lebenszeit weg.
«Die Nutzungszeit ist extrem – und all diese Lebenszeit steht uns nicht für andere Dinge zur Verfügung», sagt der Medienwissenschaftler Ralf Lankau. 168 Stunden hat eine Woche, etwa 50 bis 60 davon schlafen wir. Sagenhafte 72 Stunden pro Woche bewegen sich die Bundesbürger inzwischen im Netz, mit keinem anderen Gerät mehr als mit dem Smartphone, wie die kürzlich vorgestellte «Postbank Digitalstudie 2025» ergab. Bei den 18- bis 39-Jährigen sind es sogar fast 86 Stunden.
Handys haben zig Funktionen: Filme werden geschaut, es wird gezockt, kommuniziert, fotografiert und geshoppt, Bankgeschäfte erledigt und Nachrichten gelesen. Es sei deshalb Unsinn, das Smartphone an sich zu verteufeln, betonen Experten. Ihr Augenmerk richtet sich vor allem auf soziale Medien.
Business-Modell: Menschen im System halten
Sieben von zehn Befragten sind der Digitalstudie zufolge regelmäßig in sozialen Netzwerken aktiv. Wobei «aktiv» es meist nicht so recht trifft: Algorithmen schlagen vor, was wir sehen, welcher Minifilm bei Tiktok auf den nächsten folgt. Wir sind nur stille Konsumenten.
Business-Modell sozialer Medien ist es, Nutzer möglichst lange im System zu halten. Dafür werde auf fortwährende Dopamin-Kicks gesetzt, die die Erwartung von immer Neuem belohnen, erklärt der Entwicklungspsychologe Sven Lindberg. «Kurzvideos bieten das im Extrem.»
Die Gewöhnung an Reize im Sekundentakt sorge dafür, dass ein Buch oder eine Giraffe im Zoo weit weniger attraktiv wirke. Zudem nutze sich der Effekt nicht ab, stattdessen entstehe ein Nicht-aufhören-können ähnlich wie am Spielautomaten, sagt Lindberg. Der Effekt macht sich vor allem bei Kindern und Jugendlichen bemerkbar. «Wir sehen in Studien einen Zusammenhang zwischen jüngerem Alter und einer stärkeren suchtähnlichen Nutzung der sozialen Medien», bestätigt der Kognitionsforscher Christian Montag.
Vielfach würden psychische Probleme junger Menschen mit intensiver Social-Media-Nutzung in Verbindung gebracht, ergänzt Lindberg, Leiter der Klinischen Entwicklungspsychologie an der Universität Paderborn. Ursächlich nachzuweisen sei dieser Zusammenhang nur schwer – allein schon deshalb, weil es keine Vergleichsgruppe ohne Smartphone gibt.