Was heißt «woke»? Eine Debatte über Käse und Gesellschaft
Autor: Sebastian Fischer, dpa
, Donnerstag, 28. August 2025
Eine Käseverpackung mit vielfältigen Motiven sorgt für Diskussionen im Netz. Warum der Begriff «woke» dabei zum politischen Streitfall wird - und was dahintersteckt.
«Die Debatte ist in ihrer Absurdität kaum zu überbieten.» Das teilt ein Unternehmen mit, das in den vergangenen Tagen mit massivem Gegenwind und Bedrohungen umgehen musste - nicht etwa wegen fehlerhafter Produkte, sondern allein wegen des Designs einer limitierten Verpackung, die in einigen Wochen schon wieder geplant aus dem Handel verschwunden sein wird.
Für ihre Käsemarke Milram hatte die DMK Group mit Sitz in Bremen eine Sonderedition gestalten lassen und statt einer üblichen Kuh-und-Weide-Optik Comics dreier Kunstschaffender gewählt, die Menschen verschiedener Hautfarben darstellen. Ganz so, wie es in weiten Teilen Deutschlands aussieht.
Von Rechtsaußen ging es schnell zur Sache. Der Vorwurf: Die Bildchen seien «woke», sie zeigten nicht die Gesellschaft hierzulande. Jedenfalls nicht die, die sie sich wünschten. «Es war das, was man klassischerweise als Shitstorm bezeichnet», analysiert Josef Holnburger, Geschäftsführer des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas), das Radikalisierungstendenzen und Verschwörungserzählungen im Netz untersucht.
Woher «woke» eigentlich stammt
Und dabei spielt auch wieder ein Wörtchen eine Rolle, mit dem man offenbar große Aufregung generieren kann: «woke». Das sei inzwischen «schon zu einer Art Kampfbegriff geworden», so Holnburger.
Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich der Begriff (auch als Substantiv «Wokeness») zurückverfolgen - damals noch mit einer klar positiven Bedeutung. In der Kultur der schwarzen US-Amerikaner und später in der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre hieß woke sein: wachsam sein gegenüber Rassismus. Im Kontext der «Black Lives Matter»-Bewegung ab den 2010er Jahren wurde der Begriff einmal mehr relevant.
Gleichzeitig wurde «woke» Anfang der 2020er Jahre von den Rechten in den USA und später auch in anderen Ländern sehr stark verallgemeinert. «Woke wurde quasi zu einem allgemeinen Code für alles, von dem diese Rechten meinen, das falsch läuft in der Gesellschaft», sagt der Politikwissenschaftler Floris Biskamp. Er leitet an der Universität in Tübingen ein Projekt über die Grenzen des Sagbaren in politischen Diskursen.
Was «woke» heute heißt
«Fast alle, die den Begriff verwenden, sind sich darüber einig, dass er etwas Schlechtes beschreibt», so Biskamp. Wokeness werde einerseits als Chiffre für Übertreibungen bei Antirassismus, Sprachüberlegungen und Identitätspolitik genutzt, andererseits aber auch bei relativ harmlosen Dingen wie etwa aktuell der Käseverpackung. «Das Label "woke" findet Anwendung bei gemäßigter linker oder linksliberaler Politik im Mainstream genauso wie bei irgendwelchen randständigen Verrücktheiten.»