Valencia ein Jahr nach der Flut: Wiederaufbau und Wut
Autor: Emilio Rappold und Jan-Uwe Ronneburger, dpa
, Mittwoch, 22. Oktober 2025
Die Jahrhundert-Flut hat tiefe Spuren hinterlassen: Milliarden-Schäden, zerstörte Existenzen – und das Vertrauen in die Politik ist erschüttert. Die Betroffenen lassen sich nicht unterkriegen.
In der Nacht zum 30. Oktober 2024 verwandelten sintflutartige Regenfälle ganze Landstriche der spanischen Region Valencia in ein Katastrophengebiet. Binnen Stunden ging so viel Regen nieder, wie sonst in einem Jahr. Dazu gab es teils orkanartige Winde und Hagel. Mehr als 220 Menschen starben, Tausende wurden verletzt oder obdachlos. Die wirtschaftlichen Schäden werden auf 17 bis 18 Milliarden Euro geschätzt.
Straßen wurden fortgerissen, Fabrikhallen weggespült, Felder verwüstet. Die Bilder enger Dorfstraßen, durch die Wassermassen tosen, überschwemmter Vororte von Valencia, riesiger Schrottberge aus zusammen und übereinander gespülten Autos und verzweifelter Menschen vor ihren von Wasser und Schlamm verwüsteten Häusern gingen um die Welt.
Die offenen Wunden
Zwölf Monate später sind Straßen zwar wieder passierbar, viele Geschäfte geöffnet, und das öffentliche Leben ist auf den ersten Blick weitgehend normal. Doch die Katastrophe hat tiefe Wunden hinterlassen – nicht nur in Landschaften, Häusern und Bilanzen, sondern auch im Vertrauen in die Institutionen.
Hinter der Fassade der Normalität kämpfen viele immer noch mit den Folgen der Katastrophe. Für Tausende ist die Flut keine Erinnerung, sondern ein Ereignis, das ihr Leben dauerhaft verändert hat. Sie stehen vor einem Scherbenhaufen. Ohne Ersparnisse und ohne stabile Arbeit, oft ohne ein richtiges Zuhause.
Mit Frau und Kindern auf zehn Quadratmetern
Wie etwa Paco. Der 34-Jährige muss mit Frau und den beiden Kindern in einem Zehn-Quadratmeter-Zimmer die Nächte verbringen, weil ihr Haus trotz der Hilfen bis jetzt nicht total instand gesetzt ist. «Ich habe Zukunftsangst und jede dritte, vierte Nacht Alpträume», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Tausende auf Tafeln angewiesen
Paco geht es noch vergleichsweise gut. Nach Angaben der Stiftung Fundación Madrina sind rund 20.000 Familien noch immer auf Lebensmittelausgaben angewiesen, um über die Runden zu kommen. «Viele mussten die staatlichen Hilfen vollständig in den Wiederaufbau ihrer zerstörten Häuser stecken», sagte Stiftungsleiter Conrado Giménez dem TV-Sender Antena 3. Andere Helfer wie Isabel Caro erzählen von der Not. «Wir sehen vor allem Familien mit Kindern und ältere Menschen, die praktisch ohne Ressourcen dastehen.»
Vor den Ausgabestellen bilden sich lange Schlangen. Auch José Ramón steht an. «Ich musste durchs Fenster fliehen, weil ich im Erdgeschoss wohnte», erzählte er Antena 3. Seine Wohnung wurde vollständig überflutet. Mit öffentlicher Hilfe und letzten Ersparnissen hat er sie notdürftig wieder aufgebaut. «Ich habe alles verloren - Kleidung, Möbel, Geräte. Jetzt bekomme ich hier Lebensmittel und Putzmittel. Ohne das ginge es nicht.»