«Dana» wurde nach dem Horror Wort des Jahres
Auslöser des Dramas war eine «Dana», ein meteorologisches Phänomen, das vor allem im Herbst schwere Unwetter mit sintflutartigen Regenfällen und Sturzfluten verursacht, insbesondere im Mittelmeerraum. Es entsteht, wenn eine isolierte, sehr kalte Luftmasse in der Höhe auf warme, feuchte Luft in Bodennähe trifft. Wie schon bei anderen Naturkatastrophen verwiesen Experten auf den Klimawandel, der es wahrscheinlicher mache, dass es zu derart heftigen Unwettern komme, weil sich das Mittelmeer immer stärker erwärme und damit auch die bodennahe Luft, die mehr Feuchtigkeit aufnehme.
Mehr als 300.000 Menschen waren direkt betroffen, über 11.000 Wohnhäuser unbewohnbar. Schulen und Krankenhäuser waren monatelang nur eingeschränkt nutzbar, tausende Familien lebten in Notunterkünften. Besonders ältere Menschen und Familien ohne Versicherungsschutz verloren nahezu alles.
Gleichzeitig war die Welle der Solidarität überwältigend. Nachbarn, Freiwillige und NGOs organisierten Hilfslieferungen und Unterkünfte. «Ohne die Nachbarschaft hätten wir nicht überlebt», wurde María Torres, deren Haus in Alzira zerstört wurde, von Regionalmedien zitiert. Ein Jahr nach der Katastrophe kämpft ein Teil der Bevölkerung noch immer um Entschädigung.
Politisches Erdbeben ohne Rücktritt
Auch für die Politik war das Unwetter eine Katastrophe. Die Regionalregierung unter Präsident Carlos Mazón steht seither massiv in der Kritik: Warnungen über die Handys seien zu spät erfolgt und Evakuierungen zu zögerlich organisiert worden, lauten die zentralen Vorwürfe. Zehntausende gingen seit der Flut immer wieder auf die Straße und forderten Mazóns Rücktritt. Der konservative Politiker räumte zwar «Fehler» ein, blieb aber im Amt.
Die Berichte über Versäumnisse am Tag der Katastrophe wiegen schwer. Es läuft ein Strafprozess gegen damalige Verantwortliche. Obwohl schon am Nachmittag des 29. Oktobers erste Notrufe eingingen, wurde erst um 20.11 Uhr eine Warnung an alle Mobiltelefone der Gegend verschickt. Da standen viele Straßen schon unter Wasser, viele konnten nicht mehr fliehen.
Um 16.41 waren die ersten Notrufe eingegangen über eingeschlossene Menschen in überfluteten Wohnungen oder auf Hausdächern und erste Tote. Bis sich der Krisenstab zu der Handy-Warnung durchrang, gab es rund 15.000 Anrufe bei der Notrufzentrale. Wegen der viel zu späten Warnung tragen viele der Demonstranten gegen Mazón seither Hemden mit der Aufschrift «20:11 Ni oblit ni perdó» (Valencianisch für «Kein Vergessen kein Vergeben»). Das Vertrauen vieler Menschen in die Institutionen hat gelitten.
Die linke Zentralregierung in Madrid reagierte mit der Ankündigung eines großen Hilfsprogramms im Umfang von 10,6 Milliarden Euro. Später kamen noch weitere 1,35 Milliarden hinzu. Auch die EU mobilisierte Gelder, insgesamt knapp 1,6 Milliarden Euro aus verschiedenen Fonds. Doch bleibt die Kritik bestehen: Hilfen träfen zu langsam ein, ländliche Gemeinden fühlen sich abgehängt.
Milliardenschäden und langsamer Aufschwung
Die wirtschaftliche Bilanz ist dramatisch: Die Gesamtschäden werden auf mindestens 17 bis 18 Milliarden Euro geschätzt. Betroffen waren nicht nur Wohnhäuser und Infrastruktur – über 141.000 Fahrzeuge wurden zerstört, 800 Kilometer Straßen und 550 Kilometer Schienen beschädigt. Besonders die Landwirtschaft litt: Zehntausende Hektar mit Zitrusfrüchten und Gemüse wurden vernichtet.
Während Großbetriebe oft schneller Hilfen erhielten, kämpfen kleine und mittlere Unternehmen bis heute ums Überleben. Dennoch gibt es Lichtblicke: Bauwirtschaft und Dienstleistungssektor profitieren von den Investitionen in den Wiederaufbau. Der Valencia-Marathon am 1. Dezember 2024 brachte trotz Katastrophenstimmung fast geschätzte 40 Millionen Euro touristischen Umsatz in die Stadt, wie die Veranstalter berichteten.
Auch ökologische Wunden
Neben den menschlichen und wirtschaftlichen Opfern sind die ökologischen Schäden gewaltig. Die Fluten spülten Industrieabwässer, Öle und Chemikalien in Flüsse und Feuchtgebiete. Böden wurden durch Schlamm und Erosion in Mitleidenschaft gezogen.
Die entscheidende Frage ist, ob aus der Katastrophe Lehren gezogen werden: bessere Frühwarnsysteme, resilientere Infrastruktur, nachhaltige Stadt- und Regionalplanung. Denn Klimaforscher erwarten, dass wegen des Klimawandels solche Extremwetterereignisse in Spanien künftig häufiger auftreten werden.