Stirbt die Schwulenszene aus?
Autor: Gregor Tholl, dpa
, Dienstag, 30. Sept. 2025
Die Feierkultur steckt in der Krise, die LGBT-Szene wohl besonders. Das zeigt das Beispiel «SchwuZ» in Berlin, Deutschlands größter queerer Club. Eine Bestandsaufnahme nicht-heterosexuellen Ausgehens.
Online flirten, Inflation und neue Anfeindungen setzen der schwulen Ausgehkultur zu. Kneipen- und Clubsterben gibt es nicht nur im Mainstream: Hierzulande kämpfen auch Bars und Betriebe, die sich an Männer richten, die auf Männer stehen, ums Überleben. In Berlin etwa meldete kürzlich Deutschlands ältester queerer Club Insolvenz an: das «SchwuZ» (der Name leitet sich von «Schwulenzentrum» ab). Was ist da bloß los?
«Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt» - vor bald 55 Jahren erschien das legendäre Filmdrama von Rosa von Praunheim (heute 82), das als Auslöser der Nachkriegs-Schwulenbewegung gilt.
Die Emanzipationsbewegung mündete in vielen Organisationen und speziellen Bars und Clubs wie dem «SchwuZ» (ab 1977). Oft waren das anfangs dennoch uneinsehbare Lokale mit Klingel. Erst allmählich wurden sie zu offeneren Orten.
Diese Szene hat heutzutage - wie in anderen Ländern auch - mit einigen Problemen zu kämpfen. Für die USA schrieb der Soziologe Greggor Mattson das Buch «Who Needs Gay Bars?» (auf Deutsch also: Wer braucht Schwulenbars?). Dafür besuchte er in den USA Dutzende Locations und führte Gespräche, auch in der sogenannten Provinz.
Machen Dating-Apps Bars zum Flirten obsolet?
Seine Fragen: Haben die zunehmende Akzeptanz von LGBTQ+-Personen in der breiten Öffentlichkeit sowie Dating-Apps wie Grindr und Tinder womöglich spezielle Schwulen-Orte überflüssig gemacht? Verdrängt die Gentrifizierung in Großstädten queere Bars aus den Vierteln, die sie einst hip machten?
Auffällig in Deutschland ist, dass sich große Homo-Szenen mit einer Menge Lokalitäten fast nur noch in Köln und Berlin befinden. In Frankfurt, Stuttgart, München und erst recht in kleineren Metropolen verschwanden in den letzten Jahren zahlreiche Lokale, als wären sie mit einer Vorreitergeneration, die ab einem bestimmten Alter weniger ausging, einfach untergegangen.
Teils hat der Umgang mit der Szene 2025 auch etwas Voyeuristisches oder Museales. In München wird das auf die Spitze getrieben: Die «Deutsche Eiche» (ein Hotel mit Restaurant und Herren-Badehaus, in dem einst Freddie Mercury und Rainer Werner Fassbinder verkehrten) bietet vormittags Führungen an. Sie geben «Blick hinter die Kulissen, vor allem in die weltberühmte Sauna».