Sie sitzt im Rollstuhl - aber steht im Handstand
Autor: Florentine Dame, dpa
, Sonntag, 21. Dezember 2025
Ein Trapezsturz hatte alles verändert. Doch die querschnittsgelähmte Artistin Silke Pan ist dorthin zurückgekehrt, wo sie sich ganz fühlt: in die Manege. Die Geschichte einer Wiedergeburt.
Es wirkt mühelos, wie Silke Pan ihren zierlichen Körper in den Handstand hebt. Doch an das, was die Akrobatin mitten in der Manege vorführt, hatte lange niemand glauben mögen - viele Jahre auch sie selbst nicht: Seit einem Trapezunfall 2007 ist Pan vom Bauchnabel abwärts gelähmt. Inzwischen ist sie zurück im Rampenlicht der Zirkusscheinwerfer.
Hartes Training und Willensstärke hätten die Rückkehr möglich gemacht, berichtet die 52-Jährige hinter den Kulissen des Zirkus Flic Flac der Deutschen Presse-Agentur. Sie ist Teil der Weihnachtsshow, die bis 11. Januar in Dortmund zu sehen ist.
«Ich trage eigentlich immer einen halben toten Körper mit mir»
Neben den vielen jungen und unversehrten Körpern, die unter der Kuppel des schwarzen Zirkuszeltes durch die Luft wirbeln, ist Pans Darbietung ein fast schon stiller, aber nicht minder atemraubender Kontrast: Im Rollstuhl fährt die 52-Jährige auf die Bühne, wird von ihrem Mann auf ein Podest gehoben, fixiert ihre Füße an einer Stange - und lässt Sekunden später vergessen, dass sie ihren Unterkörper nicht kontrollieren kann.
Auf den Händen balancierend wiegt sie Hüfte und Beine hin und her. Die Kraft dazu kommt allein aus der Taille und den Schultern. Sie schraubt sich mit Hilfe mehrerer Klötze auf den Handstandstützen höher und höher. Die Beine, die sie nicht kontrollieren kann, sind dabei eine zusätzliche Last: «Ich trage eigentlich immer einen halben toten Körper mit mir.»
Der Aluminiumstab, der ihre Beine stabilisiert und während der Übungen im Nacken aufliegt, sei auch eine Art Blindenstock, verrät sie: «Er gibt mir einen Hinweis, wo meine Füße gerade sind.»
Ein Publikum zwischen Begeisterung und Ungläubigkeit
Das Publikum an diesem Abend bedenkt ihren enormen Kraft- und Balanceakt mit tosendem Applaus. Manchmal glaubten die Menschen an eine Täuschung, berichtet Pan: «Wenn sie mir dann nach der Show begegnen höre ich oft "Ach, sie sitzen ja wirklich im Rollstuhl".»
Tatsächlich hatte die Schweizerin bereits eine 13-jährige Karriere als Profi-Artistin hinter sich, bevor sie beim Training mit ihrem Mann - dem ebenfalls gelernten Akrobaten Didier Dvorak - vor etwa 18 Jahren aus drei Metern Höhe vom Trapez abstürzte. An den Unfall selbst erinnere sie sich nicht, wohl aber an die schwere Zeit danach: Sieben Monate verbrachte sie im Krankenhaus, «da hatte ich viel Zeit zum Nachdenken.»