Selbsthilfe im Slum: nicht auf weiße Retter warten
Autor: Eva Krafczyk, dpa
, Dienstag, 16. Dezember 2025
Für Kennedy Odede ist Kenias größter Slum Kibera kein Symbol für Hoffnungslosigkeit, sondern für Potenzial. Der Sozialunternehmer ist hier selbst in Armut aufgewachsen. Nun mobilisiert er Selbsthilfe.
Kennedy Odede weiß, was Armut ist: Er ist in Kibera aufgewachsen, dem größten Slum der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Wenn Filmemacher und Hilfsorganisationen Bilder extremer Armut brauchen, kommen sie gerne nach Kibera mit seinen Wellblechbaracken und der Bahnlinie. Sie führt vorbei an Müllbergen und ausgetretenen Pfaden, aber auch an Werkstätten und Läden, in denen sich der Unternehmungsgeist der Bewohnerinnen und Bewohner zeigt. Und an Kindern, die aus allem, was gerade greifbar ist, ein Spielzeug machen.
Keine weißen Retter bitte
Odede sagt: «Ich hatte Glück, in Kibera aufzuwachsen. Ja, es war ein hartes Leben. Aber ich habe auch viel Liebe und Gemeinschaftsgeist erfahren.» Der heute 40 Jahre alte Odede wollte sich nie mit der Annahme abfinden, dass Armut auch Hoffnungslosigkeit bedeutet und die Menschen in Kibera und anderen Slums von anderen aus der Not geholt werden müssen. «Ich habe die Idee gehasst, das jemand aus dem Globalen Norden kommt, um uns zu retten», sagt Odede. «Aber die verstehen uns nicht. Wir als Gemeinschaft müssen uns selber retten.»
Als Jugendlicher organisierte er Fußballturniere im Slum, später organisierte er eine Straßenreinigung, aber auch Aufklärung über HIV und Aids. Es war vor 20 Jahren die Geburtsstunde seiner Organisation Shofco (shining hope for communities). Das erste offizielle Projekt sei eine Mädchenschule in Kibera gewesen, erzählt Odede, der in diesem Jahr mit dem Nelson Mandela-Preis der Vereinten Nationen ausgezeichnet wurde.
Die Schule wurde ein Erfolg und führte manche Schülerinnen unter anderem nach New York. «Wir haben Absolventinnen, die heute an der Columbia University studieren», sagt er stolz. «Wo du geboren bist, das muss nicht deine Zukunft definieren. Talent gibt es überall. Aber es gibt nicht überall die gleichen Gelegenheiten.»
Sparen in Selbsthilfegruppen
Ganz ohne ausländische Geldgeber geht es - noch - nicht. Doch Odede und seine Mitarbeiter legen Wert auf eine Partnerschaft und auf die Selbstverantwortung der Slumbewohner. In Selbsthilfegruppen wird gemeinsam gespart, mit Mitgliedsbeiträgen in Höhe von hundert Shilling (etwa 66 Cent) monatlich. Die Gruppen entscheiden, wofür das von ihnen gesparte Geld eingesetzt wird, sind untereinander vernetzt. Inzwischen gibt es eine Gemeinschaftsbank, die Darlehen für Unternehmensgründer vergibt.
Von der Straßenverkäuferin zur Ladenbesitzerin
Mary Abongo ist eine dieser Gründerinnen. Die alleinerziehende Mutter hatte früher auf der Straße Chapati verkauft, Brotfladen, die als Streetfood beliebt sind. Doch Aufwand und Einkommen waren nicht sehr günstig. Das Geld für die Miete oder die Schuluniformen für ihre Kinder war oft knapp. Abongo nahm an einem der Kurse teil, in denen Shofco Grundlagen zur Existenzgründung, zum wirtschaftlichen Kalkulieren und Finanzverwaltung gibt. Sie erhielt einen Zuschuss und nahm ein Darlehen an der Gemeinschaftsbank auf. Inzwischen hat sie einen Laden an einer der Straßen von Kibera.
Für Außenstehende mag das Geschäft nur eine Bretterbude sein, doch für Mary Abongo ist es ein himmelweiter Unterschied zu ihrem alten Leben. «Ich kann ruhig schlafen, ohne Sorgen um die Miete», erzählt sie, während sie Reis und Bohnen in Papiertüten für ihren Kunden abwiegt. In den Holzregalen lagern Mehlpackungen, in anderen stapeln sich Seife und andere Kleinigkeiten des täglichen Bedarfs. An Decke hängt sogar eine Glühbirne, so dass Abongo auch abends das Geschäft offen halten kann - und mittlerweile hat sie zwei Mitarbeiter.