Schuldgefühle – aber auch Schuld? Prozess nach Zugunglück
Autor: Regina Wank, dpa
, Dienstag, 28. Oktober 2025
Ein Zug entgleist, fünf Menschen sterben, Dutzende werden verletzt. Drei Jahre später sitzen zwei Bahnmitarbeiter auf der Anklagebank. War es eine Verkettung unglücklicher Umstände - oder Schlamperei?
Mehrmals fließen Tränen. Die beiden Männer im Trachtenjanker sind sichtlich angefasst, während der Prozess zu einem der schlimmsten Zugunglücke der vergangenen Jahre beginnt: Im Juni 2022 entgleiste bei Garmisch-Partenkirchen ein Regionalzug. Drei der Waggons kamen von der Strecke ab, rutschten den Bahndamm hinunter und blieben auf dem Dach liegen. Fünf Menschen starben teils gleich an der Unfallstelle, Dutzende wurden verletzt, darunter viele Kinder und Jugendliche.
Ursache des Zugunglücks waren laut verschiedener Gutachten marode Betonschwellen. Wegen chemischer Reaktionen im Inneren des Stahlbetonkerns waren die Schwellen nicht mehr tragfähig genug. Die Staatsanwaltschaft München ist aber überzeugt, dass die beiden Angeklagten das Unglück mit verursacht haben und wirft ihnen fahrlässige Tötung vor.
Dass es auf der Strecke ein Problem gibt, war bekannt
Denn es gab bereits vorher Hinweise darauf, dass die Gleise an dieser Stelle problematisch sein könnten. Am Abend vor dem tragischen Unglück erhielt der damalige Fahrdienstleiter einen Funkspruch, in dem von Unregelmäßigkeiten am Gleis die Rede war. Da sei ein «Schlenker» drin, der Zug «hüpfe». Der Angeklagte sagte, er gebe das weiter – das geschah aber nicht.
Die Staatsanwaltschaft zeigte sich überzeugt davon, dass er die Strecke bis zu einer Entwarnung hätte sperren müssen. Indem er diese Vorgaben aber missachtete, löste er die Entgleisung aus, so die Staatsanwaltschaft.
«Ich habe solche Schuldgefühle», sagte der Mann nun im Prozess. Er habe die Meldung nicht so verstanden, dass eine sofortige Reaktion nötig gewesen wäre, verteidigte sich der damalige Fahrdienstleiter. Es sei keines der üblichen Schlagwörter gefallen. Die spätere Weitergabe habe er dann versäumt, «ich kann Ihnen nicht sagen, warum», sagte der Mann unter Tränen.
Die Verteidigung deutete allerdings an, dass es für den Unfall gar nicht entscheidend gewesen sein könnte, dass der Mann die Meldung nicht weitergegeben habe. Denn vor dem Unfall seien noch 28 Züge an der Stelle gefahren – ohne Probleme.
«Jeden Tag denke ich an den Unfall»
Dem zweiten Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft ebenfalls fahrlässige Tötung vor. Er habe als Bezirksleiter Fahrbahn nicht dafür gesorgt, dass die beschädigten Gleisschwellen rechtzeitig ausgetauscht würden. Ein Langsamfahrgebot oder eine Sperrung der Strecke sei ebenfalls nicht angeordnet worden. Der rechtzeitige Austausch hätte das Todesgeschehen aber sicher verhindert, so die Staatsanwältin.