«Schimpansen-Mama» Jane Goodall ist tot
Autor: Christoph Meyer, Michael Donhauser und Silvia Kusidlo, dpa
, Mittwoch, 01. Oktober 2025
Schimpansen können kommunizieren, Gefühle zeigen, Werkzeuge benutzen und regelrecht Krieg führen. Jane Goodall war die Erste, die dies erkannte. Jetzt ist die «Schimpansen-Mama» gestorben.
Die Schimpansin Wounda kann es gar nicht erwarten, aus ihrem Verschlag herauszukommen. Als die Tierpfleger den Schieber öffnen, schwingt sich die von einer schweren Krankheit genesene Affendame auf den Käfig und von dort an den Hals einer älteren Dame. Kurz vor ihrer Auswilderung in die Freiheit nimmt Wounda ihre Retterin, Jane Goodall, in den Arm. Wie kaum eine andere steht die auf Film gebannte Szene für das Lebenswerk der Forscherin. Nun ist die «Schimpansen-Mama» aus Großbritannien, die so viel für das Wohl der Menschenaffen getan hat, im Alter von 91 Jahren gestorben.
Ihre außergewöhnliche Beziehung zu den Menschenaffen beginnt bereits, als Goodall noch eine junge Frau ist. Als 26-Jährige reist sie 1960 zur Erforschung einer Gruppe von Schimpansen in den heutigen Gombe-Nationalpark in Tansania. Bald schon soll sie die Sicht der Menschheit auf deren nächsten Verwandten für immer verändern: Als Erste erkennt Goodall bei den Affen Wesenszüge und Verhaltensweisen, die vom Menschen bekannt sind - gute wie schlechte.
«Zum Glück war ich nicht an der Universität»
«Damals in den frühen 60er-Jahren glaubten viele Wissenschaftler, dass nur Menschen einen Verstand haben, dass nur Menschen in der Lage sind, rational zu denken», sagt sie in dem Dokumentarfilm «Jane», in dem viele Aufnahmen aus der frühen Zeit ihrer Forschung zu sehen sind. «Zum Glück war ich nicht an der Universität und wusste diese Dinge nicht», fügt sie hinzu.
Goodall hat ihre Position dem britisch-kenianischen Anthropologen Louis Leakey zu verdanken. Ihre Familie hat nicht das Geld, um ihr ein Studium zu finanzieren. Trotzdem will sie ihren Kindheitstraum von einem Leben in Afrika unter wilden Tieren unbedingt wahr machen. Sie verdingt sich als Sekretärin und Kellnerin, bevor sie zu einer ersten Reise nach Afrika aufbricht, bei der sie Leakey kennenlernt.
Bald wird sie Teil der Schimpansen-Gemeinschaft
Leakey, der sich von ihren Kenntnissen und ihrer Begeisterung beeindruckt zeigte, beauftragt sie damit, eine Gruppe Schimpansen an den Ufern des Tanganijka-Sees im Norden des heutigen Tansania zu erforschen. Es ist gerade ihre Unvoreingenommenheit, in der Leakey eine Stärke sieht. Er sendet zwei weitere Frauen aus: Die 1985 in Ruanda ermordete US-Amerikanerin Dian Fossey, die Gorillas erforscht, und die in Kanada aufgewachsene Birute Galdikas, die sich auf Borneo den Orang-Utans widmet. Zusammen werden sie manchmal als die «Trimaten» bezeichnet.
Zunächst von ihrer Mutter begleitet, trotzt Goodall monatelang jeder Witterung und allerlei Gefahren wie Giftschlangen, um in die Nähe ihrer Forschungsobjekte zu gelangen - zunächst vergeblich. Die Schimpansen laufen davon. Doch nach und nach gewöhnen sich die Tiere an den Anblick des «fremden weißen Menschenaffen», wie sie sich selbst gerne nennt. Bald wird sie Teil ihrer Gemeinschaft.
Sie gibt den Schimpansen Namen statt Nummern
Die Methode der «teilnehmenden Beobachtung» erweist sich als erfolgreicher als alles andere, was zuvor versucht worden war. Sie beinhaltet jedoch auch das Füttern mit Bananen und eine Interaktion mit den Tieren, die zu Kritik führt. Beispielsweise gilt es als unwissenschaftlich, den Schimpansen Namen statt Nummern zu geben. Goodall lässt sich davon nicht beirren. Ihr bester Freund wird David Greybeard, ein gutmütiges männliches Tier mit weiß-grauem Haar am Kinn, das als erstes wagt, in ihre Nähe zu kommen. Greybeard öffnet ihr die Tür zur Erforschung der Gruppe.