15 Patienten ermordet? - Palliativarzt schweigt im Prozess
Autor: Anne Baum und Marion van der Kraats, dpa
, Montag, 14. Juli 2025
Ein Palliativarzt steht im Verdacht, in Berlin Patienten getötet zu haben. Wegen 15 Fällen sitzt er nun vor Gericht. Doch es könnte deutlich mehr Opfer geben.
Er soll sich als Herr über Leben und Tod geriert haben: Fast ein Jahr nach seiner Verhaftung steht der Palliativarzt in Berlin wegen 15-fachen Mordes vor Gericht. In schwarzem Sakko und weiß-gemustertem Hemd sitzt er im Saal 700 hinter seinen drei Verteidigern. Aufmerksam, äußerlich regungslos verfolgt er, wie Staatsanwalt Philipp Meyhöfer die Anklage mit perfiden Details verliest, ab und an blickt er während der rund 20 Minuten auf. Zu den Vorwürfen schweigt der 40-Jährige mit den dunkelblonden, kurzen Locken.
«Unser Mandant wird zunächst keine Erklärung abgeben», sagte Verteidiger Christoph Stoll in dem voll besetzten Saal. Der Prozess vor dem Landgericht Berlin gegen den deutschen Arzt begann unter großem Medien- und Publikumsandrang.
Tränen bei Mutter des jüngsten Opfers
13 Angehörige von Gestorbenen sind nach Gerichtsangaben bislang als Nebenkläger vertreten. Drei von ihnen sind persönlich erschienen. Die Mutter des jüngsten Opfers aus Guinea verfolgte unter Tränen den Verfahrensauftakt.
«Geliebte Angehörige sind zu Tode gekommen. Das wollen sie hier verhandelt wissen», sagte einer der Nebenkläger-Anwälte. Die Angehörigen seien teils traumatisiert. Es bestehe großer Aufklärungsbedarf.
Die Staatsanwaltschaft Berlin wirft dem promovierten Mediziner Mord aus Heimtücke und sonstigen niedrigen Beweggründen vor. Sie hat zunächst in 15 Fällen Anklage erhoben. Parallel laufen jedoch die Ermittlungen weiter. Aktuell gibt es noch 71 Fälle, in denen ein Anfangsverdacht besteht. Auch der Tod der krebskranken Schwiegermutter des Arztes gehört dazu, wie Sprecher Sebastian Büchner sagte.
Staatsanwaltschaft überprüft noch 71 Fälle
Insgesamt hat die für den Fall eingerichtete Ermittlungsgruppe Hunderte Unterlagen von Patienten des Mediziners ausgewertet. Bislang wurde in 15 Fällen veranlasst, dass Leichen ausgegraben und rechtsmedizinisch untersucht wurden. In einem Fall stehe solch eine Exhumierung noch aus, so Büchner.
Vor Gericht geht es zunächst um 15 Todesfälle im Zeitraum von September 2021 bis Juli 2024. Als bislang erstes und jüngstes Opfer nennt die 255-seitige Anklage eine 25-Jährige, als ältestes eine 87 Jahre alte Frau.