Der erste Internet-Heilige: Carlo Acutis
Autor: Christoph Sator, dpa
, Donnerstag, 04. Sept. 2025
Der Italiener starb 2006 mit 15 Jahren an Krebs. Am Sonntag spricht der Papst den «Influencer Gottes» heilig. Mit dem Andenken an Acutis werden gute Geschäfte gemacht. Aber war er wirklich so fromm?
Auf dem Corso Giuseppe Mazzini, im Zentrum von Assisi, haben sie mit dem Devotionalienhandel große Erfahrung. Hier werden seit vielen Jahrzehnten Andenken an den Mann verkauft, der den kleinen Ort in Umbrien weltweit bekannt gemacht hat und dort auch begraben liegt: der Heilige Franz von Assisi (1181-1226). Das Geschäft mit Holzfiguren, Bildern und Rosenkränzen läuft bestens. Die Souvenirshops reihen sich dicht an dicht.
In jüngster Zeit hat der Gründer des Franziskanerordens allerdings massive Konkurrenz bekommen: An manchen Tagen verkaufen die Händler jetzt mehr Devotionalien von Carlo Acutis, einem italienischen Teenager, der 2006 an Leukämie starb. Auf den ersten Blick war das ein gewöhnlicher Junge in Jeans, Sneakers und rotem Polohemd - aber nun steht er in den Schaufenstern eben mit Heiligenschein über dem Kopf.
Mehr als 100.000 Menschen zu Heiligsprechung erwartet
Denn am nächsten Sonntag (7. September) soll Acutis, der nur 15 Jahre alt wurde, von Papst Leo XIV. im Vatikan heiliggesprochen werden. Der Sohn aus einer reichen Mailänder Familie wird damit der erste Heilige aus der Generation der Millennials – also der Leute, die zwischen 1980 und 1999 geboren wurden. In Assisi nennen sie den neuen Geldbringer inzwischen den «kleinen Bruder von Franz». Eigentlich wäre er jetzt gerade mal 34.
Auf dem Petersplatz im Vatikan werden zu der Zeremonie mehr als 100.000 Leute erwartet. Eigentlich sollte das schon am Sonntag nach Ostern geschehen, aber dann starb Papst Franziskus. Alle Termine wurden abgesagt. Jetzt holt sein Nachfolger die Erhebung des Teenagers in den Heiligenstand mit fünf Monaten Verspätung nach: Der Vatikan legt darauf offensichtlich großen Wert. Die Entscheidung an sich wird dort von niemandem infrage gestellt.
Kirche preist «Heiligen unserer Zeit»
In den Verlautbarungen des Kirchenstaats liest sich Acutis' Leben wie gemacht dafür, um jüngere Leute wieder an den katholischen Glauben heranzuführen: ein «kleines Computergenie», ein «Influencer Gottes», ein «Cyber-Apostel», ein «Heiliger unserer Zeit». Die römisch-katholische Kirche, die vor allem in Europa mit einem Schwund an Gläubigen zu kämpfen hat, kann so jemanden gut gebrauchen.
Acutis wurde 1991 in London geboren, wo sein Vater in der Finanzwelt arbeitete, und dort auch getauft. Kurz darauf bekam der Vater einen neuen Job in Mailand. In der Nähe von Assisi, mitten in Umbrien, hat die Familie heute noch ein Ferienhaus. Vor allem über sein Kindermädchen, so die Erzählung, fand Carlo früh den Weg zum Glauben.
«Die einzige Frau in meinem Leben ist die Jungfrau Maria»
Mit sieben empfing er die Erstkommunion. Später kam er auf eine Jesuitenschule, wo er für die Kirche Computerprogramme schrieb, Webseiten entwarf und eine Datenbank mit vermeintlichen Wundern bastelte. Der Mutter erzählte er, dass er sich mit dem Gedanken trage, Priester zu werden. Freunde ermahnte er angeblich, nicht auf Pornoseiten zu gehen. Er selbst soll behauptet haben: «Die einzige Frau in meinem Leben ist die Jungfrau Maria.»