Amazonasgebiet ächzt unter Jahrhundertdürre
Autor: Philipp Znidar, dpa
, Montag, 20. November 2023
Die grüne Lunge des Planeten erlebt eine beispiellose Krise. Das größte Regenwaldgebiet der Welt leidet unter der schwersten Trockenheit seit über einem Jahrhundert. Die Folgen sind gravierend.
Dem Amazonasbecken fehlt das, was es normalerweise reichlich hat: Wasser. Das wasserreichste Gebiet der Welt erlebt derzeit die schlimmste Trockenheit seit Beginn der Aufzeichnungen vor über 120 Jahren. Die Auswirkungen für die Menschen, die regionale Wirtschaft sowie die Flora und Fauna in Südamerika sind gravierend. Experten sind alarmiert. Eine Entspannung zeichnet sich nicht ab.
Die Pegelstände einiger der wichtigsten Flüsse waren zuletzt in noch nie da gewesenem Maße gesunken. Die Folgen: Versorgungsschwierigkeiten, tote Tiere. «Es sind Hunderttausende von Menschen in den Staaten, die jetzt unter dieser Dürre leiden», sagt Rômulo Batista von der Umweltschutzorganisation Greenpeace.
Das brasilianische Amazonasgebiet erstreckt sich über neun Bundesstaaten und entspricht flächenmäßig der Größe Westeuropas. Es ist Heimat für eine atemberaubende Vielzahl von Pflanzen und Tieren. Ein Fünftel des Süßwassers der Erde fließt nach Schätzungen durch das weltweit größte und komplexeste Netzwerk von Flussläufen.
Besonders betroffen von der aktuellen Dürre ist der Bundesstaat Amazonas. Der Rio Negro - zweitgrößter Nebenfluss des Amazonas - erreichte Ende Oktober in der Nähe der Provinzhauptstadt Manaus den niedrigsten Stand seit Beginn der offiziellen Messungen.
Nach Angaben des Geologischen Dienstes Brasiliens (SGB) hatte der Pegelstand des Flusses zuletzt einen Tiefstwert von 12,70 Metern - der durchschnittliche Tiefstwert in diesem Monat in Manaus beträgt 18 Meter, wie der Geowissenschaftler André Luis Martinelli Real dos Santos vom SGB der Deutschen Presse-Agentur sagt.
Gravierende Folgen für Menschen und Tiere
Vor allem die Bevölkerung an den Flussufern leidet. Viele von ihnen können sich normalerweise nur per Boot auf den Flüssen fortbewegen. Wegen des niedrigen Pegelstandes sind zahlreiche Boote auf Grund gelaufen, die Versorgung der Gemeinden mit Wasser, Lebensmitteln oder Medikamenten wird immer schwieriger. Die Regierung im Bundesstaat Amazonas rief für alle 62 Bezirke den Notstand aus. Fast 600.000 Menschen sind davon betroffen. «Mein Mann ging fischen und kam ohne irgendetwas zurück, weil es keine Fische gab», erzählt Landwirtin Ana Carla Pereira in einem Beitrag der Organisation Greenpeace.
In den vergangenen Tagen wurden dem Nachrichtenportal «G1» zufolge rund 70 tote Süßwasserdelfine in der Gemeinde Coari gefunden. Sie liegt etwa 360 Kilometer von Manaus entfernt. Bereits Ende September waren in derselben Region im Lago Tefé über 100 tote Süßwasserdelfine entdeckt worden. Auch wenn die genaue Todesursache noch untersucht werde, sei davon auszugehen, dass sie im Zusammenhang mit der aktuellen Hitze und Trockenheit in der Region stehe, teilt das Forschungsinstitut Mamirauá mit.