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Neues Knie, neue Hüfte: Experten erklären, wie Betroffene behandelt und schmerzfrei werden


Autor: Irmtraud Fenn-Nebel

Bamberg, Freitag, 11. Oktober 2019

Wann ein künstliches Knie- oder Hüftgelenk helfen kann, erklärten zwei Fachärzte bei einer Telefonaktion dieser Zeitung.
Künstliche Gelenke können mithilfe eines Roboterarms  präzise eingesetzt werden. Franka Struve


Wenn jeder Schritt mit dem arthritischen Knie oder der lädierten Hüfte zur Qual wird und konservative Maßnahmen ausgeschöpft sind, könnte ein künstliches Gelenk eine Option sein. Gleichzeitig haben Endoprothesen eine begrenzte Lebensdauer, was zusätzlich zur Entscheidung ,ob' auch die Frage nach dem ,wann' erschwert. Deshalb haben Betroffene und Interessenten Fragen über Fragen, die sie bei einer Telefonaktion dieser Zeitung zum Thema "Endoprothetik" stellen konnten. Der Informationsbedarf ist enorm, wie die Resonanz zeigte: Die Telefone standen nicht still.

Antworten bekamen unsere Leser von Franz Roßmeißl, niedergelassener Orthopäde und Operateur am Endoprothetikzentrum (EPZ) Forchheim, und Maximilian Baier, Oberarzt in der Fachabteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie im Klinikum Forchheim. Im Folgenden eine Zusammenfassung.

Ich habe eine Kniearthrose, die operationswürdig ist. Gibt es andere Therapiemöglichkeiten?

Gerade bei Knie-Arthrosen empfehlen wir als erste Maßnahme, falls es denn notwendig ist, eine Gewichtsreduktion. Eventuell kann eine Korrektur der Beinachse helfen, zum Beispiel, wenn der Betroffene eine extreme X- oder O-Beinfehlstellung hat. Da kann man operativ eingreifen oder mit einer Schuh-Zurichtung. Generell hilft viel Bewegung mit Sportarten ohne Belastung, also Fahrradfahren oder Schwimmen.

Wie sieht es mit alternativen Behandlungsmethoden bei einer Arthrose aus?

Hier gibt es mehrere Möglichkeiten. Die sogenannte Injektionsbehandlung mit Hyaluronsäure kann ebenso helfen wie eine Eigenblutbehandlung. Allerdings müssen diese Therapien als Individuelle Gesundheitsleistungen vom Kassenpatienten selbst bezahlt werden.

Ständig liest man Werbung von Aufbaupräparaten gegen Gelenkschmerzen. Was halten Sie von diesen Medikamenten?

Patienten berichten uns immer wieder, dass ihnen solche Präparate helfen. In den Knorpelaufbaupräparaten sind im Wesentlichen zwei Wirkstoffe enthalten, die gegen Gelenkschmerzen helfen sollen: Chondroitin und Glucosaminsulfat, außerdem oft noch Vitamine und Spurenelemente.

Helfen Medikamente auch bei einer schweren Arthrose?

Grundsätzlich werden Arthrosen nach Röntgenkriterien in vier Schweregrade eingeteilt. Bei den ersten beiden haben Medikamente und konservative Methoden sicherlich einen guten Stellenwert und Aussicht auf Erfolg. Danach wird das Eis dünner. Besonders bei einer viertgradigen Arthrose und wenn überhaupt kein Knorpel mehr da ist an verschiedenen Stellen, helfen konservative Methoden nicht mehr.

Ich möchte mir gegen meine andauernden Knieschmerzen von meinem Arzt Krankengymnastik aufschreiben lassen. Meinen Sie, das hilft?

Physiotherapie macht Sinn, wenn Sie eine Bewegungseinschränkung haben. Wenn Sie sich gut bewegen können, kann auch der Therapeut nichts bewirken. Anders gesagt: Bei einer aktivierten Arthrose mit Bewegungseinschränkung kann Physiotherapie sinnvoll sein.

Wie lange muss man auf einen Termin für eine Knie- oder Hüft-OP warten?

Das hängt von der Klinik ab. Im Schnitt zwei bis sechs Wochen.

Wie lange bleibt man nach einer Endoprothesen-OP im Krankenhaus?

Etwa sieben bis zehn Tage.

Ist nach der OP eine Reha sinnvoll?

Auf jeden Fall. In vielen Kliniken kann man mit dem Sozialdienst schon im Vorfeld der OP die Reha planen. Diese kann stationär oder ambulant gemacht werden.

Ich habe Bedenken, nach der OP zu lange auszufallen. Wie lange wird man in der Regel krank geschrieben?

Das hängt auch ein bisschen vom Job ab. Wenn es sein muss, kann ein Selbstständiger, der am Schreibtisch arbeitet, schon nach zwei Wochen wieder dort sitzen. Wer körperlich arbeiten muss, wird eher acht bis zehn Wochen krankgeschrieben.

Ich kann eigentlich kaum mehr laufen, weil meine Hüfte furchtbar schmerzt. Gleichzeitig scheue ich die Operation. Wann ist denn der richtige Zeitpunkt für eine Endoprothese?

Die Notwendigkeit ergibt sich aus den Röntgenbildern und anderen bildgebenden Verfahren. Im Wesentlichen sind aber die subjektiven Beschwerden ausschlaggebend. Schließlich operieren wir Menschen und keine Röntgenbilder. Die Kernfrage lautet: Wie sehr ist meine Lebensqualität eingeschränkt? Sind Arbeit und Freizeit beeinträchtigt?

Ich bin 58 Jahre alt, eine Knie-OP steht an. Ich habe Bammel davor. Aber ich möchte weiter Tennis spielen. Was raten Sie mir?

Wenn Sie weiter Sport machen wollen, kann die OP die richtige Entscheidung sein. Holen Sie sich auch eine Zweitmeinung.

Ich bin 78 Jahre alt und soll eine neue Hüfte bekommen. Bin ich nicht zu alt dafür?

Nein. Das biologische Alter spielt nur eine sekundäre Rolle. Wichtig ist die potenzielle Steigerung der Lebensqualität und die ist durch eine Endoprothese auch im höheren Alter gegeben.

Man hört immer wieder von Komplikationen bei Endoprothesen. Was können Sie dazu sagen?

Die Risiken bei diesen Operationen sind verschwindend gering und hängen nur in zweiter Linie mit dem Operateur zusammen. Wichtiger ist die Gesundheit des Patienten. Wenn er Vorerkrankungen hat wie Diabetes, Übergewicht und Bluthochdruck, sind das Risikofaktoren für einen operativen Eingriff.

Ich musste schon fünfmal operiert werden, weil bei einer Knie-OP eine Infektion ins Gelenk kam. Was kann man da noch tun?

Das ist die gefürchtetste Komplikation. Im Ernstfall muss die Endoprothese wieder ausgebaut werden, was bedeutet, dass der Patient bis zu drei Monate ohne Gelenk auskommen muss. In der Zwischenzeit wird die Infektion medikamentös behandelt. Danach kann die Endoprothese wieder eingesetzt werden. Heute gibt es zum Glück bessere Leitlinien als früher für solche Eingriffe, weshalb die Komplikationen deutlich weniger geworden sind.

Ich habe nach einer Knie-OP eine Fehlstellung am Bein bekommen. Muss das Gelenk wieder herausgenommen werden?

Ja. Da hilft leider nichts anderes. Die Prothese muss ausgetauscht werden.

Zertifizierte Endoprothesezentren in Franken

Zertifizierung In Deutschland werden jährlich rund 400 000 künstliche Gelenke implantiert. Die EndoCert-lnitiative der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) will seit 2012 durch die Zertifizierung von Endoprothetikzentren eine qualitativ hochwertige Durchführung solcher Eingriffe sicherstellen. Wesentlich für die Auszeichnung ist die Anzahl der Operationen in der Klinik sowie des Operateurs. EPZmax In "Zertifizierten Endoprothetikzentren der Maximalversorgung" (EPZmax) müssen mindestens 200 Endoprothesen jährlich eingesetzt werden und sogenannte Senior-Hauptoperateure jeweils mindestens 100 endoprothetische Eingriffe durchführen. EPZ Zertifizierte Endoprothetikzentren (EPZ) gibt es aufgrund des geringeren Zertifizierungsaufwands häufiger als "EPZmax". In EPZ müssen jährlich mindestens mindestens 100 endoprothetische Eingriffe durchgeführt werden, mindestens zwei Hauptoperateure müssen jeweils mindestens 50 Knie- und Hüftgelenke einsetzen. Datenbank Adressen von Kliniken gibt es unter www.endocert.de. Auch in Franken findet man etliche Spezialkliniken.

EPZmax: unter anderem am Klinikum Bamberg, Waldkrankenhaus Erlangen, Nürnberg: Kliniken Dr. Erler, St. Theresien und Klinik Martha-Maria, Klinik Rummelsberg, König-Ludwigs-Haus Würzburg, Klinik Schloss Werneck.

EPZ: unter anderem in Forchheim, Bamberg, Schweinfurt, Erlangen, Nürnberg, Erlangen, Lichtenfels, Fürth, Kulmbach, Bayreuth, Klinik Schloss Werneck, Bad Neustadt/Saale, Würzburg. Kliniksuche Nach Kliniken, Ärzten, Pflegeheimen und -Diensten kann man auch unter www.weisse-liste.de suchen. Das Internetportal ist ein gemeinsames Projekt der Bertelsmann Stiftung und der Dachverbände der größten Patienten- und Verbraucherorganisationen. Es beinhaltet auch einen Befund- und Diagnosen-Dolmetscher. Die Weiße Liste ist kosten- und werbefrei. irfe