Nach 25 Jahren ein Treffen in Rödelmaier
Autor: Klaus Angerstein
Rödelmaier, Mittwoch, 25. Juli 2018
Wir erzählen die tolle Geschichte eines Wiedersehens, treffen den Sohn des Bürgermeisters und besuchen ein Karmelitinnen-Kloster.
Der Einschlag erfolgte unmittelbar neben einem Wegkreuz an einem Aussichtspunkt oberhalb von Rödelmaier. Rödelmaier, das ist eine 924-Seelen-Gemeinde unweit von Bad Neustadt im Landkreis Rhön-Grabfeld. Wir genießen die exponierte Lage. Da hat sich der Dartpfeil mal ein richtiges landschaftliches Highlight ausgesucht. Die Gegend mutet fast toskanisch an mit einer grandiosen Aussicht unter anderem auf den Kreuzberg (928 m) und den Heidelstein (926 m). Allerdings ist weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Wir warten.
Nach einer Weile haben wir Glück. Spaziergänger nähern sich, ein Paar, das seine Hunde "Gassi" führt. Schnell entwickelt sich ein Gespräch. Wir erfahren von Stefanie Seubert, dass sie ein Rödelmaier Urgewächs ist. Zum Lehrerstudium war sie mal fort, ist inzwischen aber in ihre Heimat zurückgekehrt und unterrichtet an der Grundschule in Salz. Ihr Mann Marcel, kein Rödelmaier, sondern aus Thüringen zugereist, arbeitet in Bad Neustadt.
"Matze, bist das du?"
Im Verlauf des Gesprächs bemerke ich so ganz nebenbei, dass mein fotografierender Kollege ebenfalls aus der Gegend stammt. Woraufhin er von meiner Gesprächspartnerin eingehender gemustert wird. Mit einem Mal ein zunächst ungläubiger Blick. Und dann: "Matze bist das du?" Der Befragte bejaht und schon liegen sich - immerhin nach rund 25 Jahres erstmals wieder - Stefanie und ihr früherer Schulkamerad aus Bad Neustadter Tagen in den Armen. Unglaublich, was so ein auf die Frankenkarte geworfener Dartpfeil rein zufällig alles anzurichten vermag. Dabei war die Identifizierung des Kollegen gar nicht so einfach, weil der vor 25 Jahren eigenen Angaben zufolge noch Haare bis zum verlängerten Rücken trug, inzwischen allerdings seiner früheren Haarpracht vollständig beraubt ist.Wunderbar, ein Anfang ist gemacht. Jetzt hoffen wir auf möglichst viele Begegnungen in der Ortsmitte. Von wegen. Es tut sich auch rund um Kirche und Bürgerhaus nichts. Kein Supermarkt, kein Bäcker oder Metzger, kein Gasthaus, schon gar kein Arzt oder eine Apotheke, nicht einmal ein Tante-Emma-Laden, einfach rein gar nichts. Ich überlege mir schon, einfach am nächstbesten Haus zu klingeln, als uns ein junger Mann vor dem Bürgerhaus über den Weg läuft. Der heißt Marius Pöhnlein und ist der Sohn des Bürgermeisters.
Ein Volltreffer wie sich gleich erweist. Marius studiert eigentlich in Bayreuth und ist derzeit auf "Heimaturlaub". Er führt uns gleich in den Sitzungssaal des Gebäudes. Rödelmaier ist noch selbstständige Gemeinde erfahren wir. Es gibt allerdings eine Verwaltungsgemeinschaft mit Bad Neustadt. Viel Gewerbe gibt's hier allerdings nicht, erzählt Marius. Aber immerhin eine Schreinerei, eine Textilreinigung und ein Callcenter, dazu die Straßenmeisterei. Nicht zu vergessen drei Bushaltestellen. Mehr aber auch nicht. Die Menschen müssen zur Arbeit nach Bad Neustadt oder gleich bis nach Schweinfurt pendeln. Jetzt ist uns auch klar, warum wir nirgendwo eine Menschenseele angetroffen haben.