Druckartikel: Kalter Krieg und heiße Dessous

Kalter Krieg und heiße Dessous


Autor: Rudolf Görtler

Bamberg, Donnerstag, 12. März 2015

Was zunächst pikant klingt, ist ein Streit um knallharte Wirtschaftsinteressen zwischen Ost und West: Russische Höschen müssen Baumwolle enthalten.
Um den Baumwollgehalt von Unterwäsche ist zwischen Frankreich und Russland ein Streit entbrannt. Foto: dpa


In Carl Sternheims "Hose" rutscht einer Dame auf offener Straße - geplatzter Gummizug? - das genannte Kleidungsstück auf die Füße, und das Unheil nimmt seinen Lauf. Sodom und Gomorrha, jedenfalls nach den Maßstäben der wilhelminischen Zeit von 1911. Seither ist es zu einem Konsumgut geworden, mit dem z. B. in Frankreich ein jährlicher Umsatz von dreieinhalb Milliarden Euro erzielt wird. Doch die Spitzen-Industrie ächzt unter den Sanktionen einer "Wirtschaftskommission der Eurasischen Union", ein sehr un-erotischer Name. Die schreibt vor, dass in russischen, nun ja, Höschen sechs Prozent Baumwolle verarbeitet werden müssen - Polyester schädige die Gesundheit und, dürfen wir vermuten, die eurasischen Volkswirtschaften. Worauf prompt einige kasachische Frauen für die Freiheit dieser Textilie demonstrierten und die ihrer Trägerinnen selbstredend.

Und, man glaubt kaum, auf welch schmalem Terrain der neue Kalte Krieg sich abspielt, die US-Außenministerin Hillary Clinton hatte den Baumwoll-Erlass als eine "Maßnahme der Reso-wjetisierung" kritisiert. Das ist nun mal eine gewagte These. Folgt man ihr, müssten zum Beispiel auf dem Bamberger Mittfastenmarkt jede Menge beinharte Kommunistinnen einkaufen. Denn voluminöse fleischfarbene Baumwollschlüpfer gibt's dort immer noch zuhauf.