Interview mit Erlanger Neurologen zur Organspende: "Hirntod ist ein sicheres Todeszeichen"
Autor: Irmtraud Fenn-Nebel
Erlangen, Freitag, 14. Sept. 2018
Die Diagnose Hirntod wirft viele Fragen auf. Antworten gibt Prof. Dr. Hajo Hamer, Neurologe an der Uniklinik Erlangen, im Interview mit dieser Zeitung.
Prof. Dr. Hajo Hamer, Oberarzt der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Erlangen, spricht im Interview darüber, wie der Hirntod festgestellt wird und wie eine Organspende abläuft.
Herr Professor Hamer, was genau versteht man unter der Diagnose "Hirntod"? Wo liegt der Unterschied zum "Tod"?
Hajo Hamer: Die Diagnose "Hirntod" beschreibt einen besonderen Zustand, bei dem das gesamte Gehirn unwiderruflich ausgefallen ist und keinerlei Hirnfunktionen jemals wieder kommen können. Dabei kann das Herz noch schlagen und somit der Blutkreislauf noch funktionieren. Da aber der Mensch ohne sein Gehirn nicht leben und überleben kann, ist der "Hirntod" ein sicheres Todeszeichen. Ein Herz kann man verpflanzen, ein Gehirn in keiner Weise.
Wie wird sichergestellt, dass der Patient wirklich hirntot ist? Zur Diagnose des unumkehrbaren Ausfalls der gesamten Hirnfunktionen ("Hirntod") gelten in Deutschland strenge einheitliche Richtlinien. Der "Hirntod" muss immer durch zwei erfahrene Fachärzte unabhängig voneinander festgestellt werden. Alle Ursachen, die möglicherweise einen "Hirntod" vortäuschen können, müssen detailliert und sehr genau ausgeschlossen werden. Genauso wie die weitere "Hirntoddiagnostik" geschieht dies nach bundesweit sehr strikt festgelegten und aufwändigen Kriterien.
Die klinischen Untersuchungen und die apparative Zusatzdiagnostik (zum Beispiel Messung der Hirnstromkurve oder Computertomografie) sind klar beschrieben und müssen nach festen Regeln durchgeführt werden. Dadurch kann festgestellt werden, ob die Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstammes unwiederbringlich ausgefallen ist. Um welche Fachärzte handelt es sich? Die Fachärzte, die an der Hirntoddiagnostik beteiligt sind, müssen unabhängig sein und dürfen weder an der Organentnahme noch an der Transplantation der Organe beteiligt sein. Dadurch wird sichergestellt, dass Voreingenommenheit oder Interessenkonflikte der untersuchenden Fachärzte ausgeschlossen sind.
Was geschieht nach der Diagnose? Liegen keine Gründe vor, die eine Organspende ausschließen, wird nach der Feststellung des "Hirntods" zunächst die Organspendebereitschaft des Verstorbenen zu seinen Lebzeiten geklärt. Falls kein Wille des Verstorbenen zur Organspende bekannt ist, dürfen die Angehörigen entscheiden. Wird eine Organentnahme abgelehnt, werden die intensivmedizinischen Maßnahmen und damit die künstliche Aufrechterhaltung des Kreislaufes umgehend eingestellt. Liegt eine Zustimmung zur Organspende vor, werden die intensivmedizinischen Maßnahmen kurzzeitig fortgesetzt, damit die Organe weiter durchblutet werden und anschließend transplantiert werden können. Und dann?
Bei Zustimmung zur Organspende folgen definierte medizinische Untersuchungen beim Spender und die erhobenen medizinischen Daten werden von der Deutschen Stiftung für Organtransplantation (DSO) an das Institut "Eurotransplant" gemeldet. Bei Eurotransplant werden - nach streng medizinischen Kriterien - passende Empfängerinnen oder passende Empfänger ermittelt. Können die Angehörigen den Organspender danach noch einmal sehen?