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In Bayern sterben die Apotheken


Autor: Irmtraud Fenn-Nebel

Bamberg, Freitag, 03. Mai 2013

Vom 3. bis 5. Mai findet in Bamberg der bayerische Apothekertag statt. Dort geht es auch um das Apothekensterben. Apotheker und Kassen belasten sich gegenseitig.
Grafik: FT


In Deutschlands Apotheken grassiert ein tödliches Virus: 2012 wurden jede Woche sechs Apotheken geschlossen. Allein in Bayern ist ihre Zahl 2011 und 2012 um 83 zurückgegangen, weitere 15 haben seit Jahresbeginn dichtgemacht. Am stärksten betroffen ist Oberfranken und ein Ende dieser Entwicklung scheint vorerst nicht in Sicht. Doch wer hat dieses Virus eingeschleppt? Darum wird es beim bayerischen Apothekertag gehen, der vom 3. bis 5. Mai in Bamberg stattfindet.

Die Fachveranstaltung beginnt am 3. Mai mit einer Podiumsdiskussion, zu der der bayerische Gesundheitsminister Marcel Huber nach Bamberg kommen wird. Sie beginnt um 18 Uhr in der Konzerthalle. Am Wochenende stehen für die Apotheker Fachvorträge auf dem Programm.

Am Samstag, 4. Mai, findet auf dem Bamberger Maxplatz eine Publikumsaktion statt: Die Apotheker stellen am Vormittag einen fünf Meter hohen, aufblasbaren Arzneimittelschrank auf. Dort informieren sie bis 16 Uhr über den häuslichen Arzneimittelbedarf und über die Haltbarkeit und Lagerung von Medikamenten.

Doch zurück zu den Gründen für das Apothekensterben. Für den Kulmbacher Apotheker Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes (BAV), hat der Rückgang der Apotheken von 3405 im Jahre 2004 auf 3332 im März 2013 mehrere Gründe.

Beispiel Bevölkerungsschwund: Immer mehr Menschen ziehen vom Land in die Städte - und damit den Apotheken die Kunden ab. "Deshalb machen immer mehr Apotheken dicht, vor allem in kleinen Orten", sagt Hubmann. Außerdem sind die meisten Apotheker auf dem Land schon älter, finden aber keinen Nachfolger, weil das Umfeld nicht passt und die Apotheke wirtschaftlich nicht attraktiv ist. Hubmann zieht einen Vergleich zu Hausärzten, deren Praxen auf dem Land niemand übernehmen will. "Und wenn es keine Hausärzte mehr auf dem Land gibt, haben auch die Apotheker keine Lebensgrundlage mehr", sagt der BAV-Chef. In Mittel- und Unterfranken sowie in den Städten sei die Schließung von Apotheken nicht ganz so dramatisch, in Oberfranken dagegen umso mehr. Hier geht die Apothekenzahl prozentual am stärksten von allen bayerischen Bezirken zurück: 21 mussten allein in den letzten drei Jahren schließen.

Ein weiteres Problem sieht Hubmann in den gesetzlichen Regelungen. Die Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel legt in Deutschland das Bundesministerium für Wirtschaft fest: 8,10 Euro waren es bisher, zusätzlich drei Prozent des Einkaufspreises. Im Januar wurde die Pauschale auf 8,35 Euro erhöht - zum ersten Mal seit 2004. "Drei Prozent in neun Jahren?" Dem BAV-Vorsitzenden ist das nicht genug. Außerdem regt er sich darüber auf, dass die Apotheker für Kassenpatienten einen Rabatt von 1,75 Euro gewähren müssen. Nach Lesart der Kassen sollen es aber 2,05 Euro sein. Die Entscheidung darüber muss nun eine Schiedsstelle treffen.

Medikamente in der Nacht

Und welche Rolle spielt eigentlich die Konkurrenz durch das Internet? Bei dieser Frage bleibt Hubmann gelassen. "Der Versandhandel hat einen Anteil von einem Prozent bei verschreibungspflichtigen Medikamenten", sagt er. Anders sieht es bei der Selbstmedikamentation aus. Die Aufhebung der Preisbindung und die Konkurrenz durch Internetapotheken und Drogerien haben den Wettbewerb bei rezeptfreien Medikamenten angekurbelt.

Trotzdem ist sich Hubmann sicher: "Die Bindungsapotheke mit ihrer Beratungskompetenz ist immer noch da." Wenn ein Patient gerade vom Arzt mit einem Rezept für ein Antibiotikum kommt, braucht er die Medizin nicht via Versand übermorgen, "sondern sofort". Auch nachts. Laut Statistik bedienen Apotheken deutschlandweit jede Nacht etwa 20 000 Patienten. Pro Patient bekommt der Apotheker bisher dafür 2,50 Euro. Um die Notdienste gerechter zu vergüten und die flächendeckende Versorgung auf dem Land aufrechtzuerhalten, wird in der zweiten Jahreshälfte eine Sicherstellungspauschale für Apotheken im Nacht- und Notdienst eingeführt.

Dafür stellt die Bundesregierung 120 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld wird über die Landesapothekerkammern verteilt. "Pro Dienst werden es etwa 220 Euro sein", rechnet Hubmann vor. Das Wirtschaftsministerium möchte, dass auch künftig ein funktionierendes und dichtes Netz von Apotheken zur Verfügung steht. Die Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung und die geplante Sicherstellungspauschale für den Nacht- und Notdienst sollen dafür sorgen. So richtig zufrieden ist Hubmann trotzdem nicht. Weil es für die Branche zwar insgesamt Umsatzzuwächse gebe, aber die Kosten für Wareneinsatz und Personal stärker steigen. Die Betriebsergebnisse sänken deshalb tendenziell seit 2004. Dabei hätten die Kassen durch eine Erhöhung des Beitragssatzes und eine Entlastung der Ausgaben zurzeit genug Geld zum Verteilen.

Florian Lanz, Sprecher des Spitzenverbandes der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen GKV, lässt die Kritik nicht gelten. Es gebe mehr Apotheken in Deutschland als vor 15 Jahren. "Aber ich weiß von Berlin aus nicht, ob es in einer bestimmten Region Probleme gibt", sagt er und verweist an die AOK Bayern. Die will sich nicht äußern und spielt den Ball zurück zu Lanz. Der wählt einen allgemeinen Vergleich: Die Versorgung mit Apotheken liege über dem europäischen Schnitt. Der BAV kontert: Eine deutsche Apotheke versorge im Schnitt 3900 Menschen, der EU-Schnitt liege bei 3200.

Für Lanz ist das kein Argument. "Der Maßstab kann nicht sein, wie viele Apotheken haben wir, sondern wie viele brauchen wir, um die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen", definiert er und ergänzt: "Eine Apotheke ist kein Selbstzweck." Auch die Klagen der Apotheker über die Höhe ihrer Vergütung kann der GKV-Sprecher nicht nachvollziehen. "Die Apotheker werden pro Packung bezahlt und bekommen jetzt 25 Cent mehr."

Lanz regt sich darüber auf, dass die Apotheker ihre Einnahmen nicht transparent machen. Auch das Argument, "ihr Kassen habt ja so viel Geld im Moment", lehnt er ab. "So viel Überschuss in der Relation zu den Gesamtausgaben ist es nicht." Außerdem wolle man keine Apothekervergütung nach Kassenlage. "Das hieße ja im Umkehrschluss, wenn die Kassen weniger Geld haben, müssen wir die Vergütung wieder kürzen. Das will auch niemand."

Zahlen und Fakten

24 000
Arbeitsplätze bieten die Apotheken in Bayern: Über 8000 sind approbierte Apotheker und Apothekerinnen, der Rest verteilt sich auf Pharmazeutisch-technische-Assistenten (PTA) und Pharmazeutisch-kaufmännische-Angestellte (PKA).


539 000
Menschen gehen täglich in Bayern in eine Apotheke.

Rang 4
nehmen die Apotheker in der Liste der vertrauenswürdigsten Berufe ein hinter Feuerwehrleuten, Krankenschwestern und Piloten. Quellen: Bayerischer Apothekerverband und Reader's Digest European Trusted Brands 2012.

1,2 Millionen
Rezepturen stellen bayerische Apotheken pro Jahr her.


Wertschöpfungsanteile Arzneimittelausgaben 2012

Bund 2012: 27,59 Mrd. €,
65,10 Prozent Industrie,
16 Prozent Staat Mehrwertsteuer,
15,20 Prozent Apotheken,
3,70 Großhandel.
(Quellen: Bayerischer Apothekerverband - BAV)