Immer teurer: Wer hat Schuld an den steigenden Strompreisen?
Autor: Günter Flegel
Bamberg, Montag, 11. Dezember 2017
Mit dem Jahreswechsel erhöhen Versorgungsbetriebe ihre Tarife und Verbraucher müssen tiefer in die Tasche greifen. Was sorgt für die Inflation beim Strom?
Wer in den letzten Wochen Post von seinem Stromversorger bekommen hat, wird der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) zustimmen: Die Energiewende sei "ein Desaster", die Strompreise gehen durch die Decke, vor allem private Haushalte werden zur Kasse gebeten, um Windräder und Solarparks zu finanzieren. 2017 war das teuerste Stromjahr aller Zeiten in Deutschland, schreibt das Verbraucherportal "Verivox", und Wirtschaftsverbände mahnen nicht nur mit Blick auf die Regierungsbildung in Berlin Korrekturen bei der Energiewende an.
"Grüne Träume"
VBW-Präsident Alfred Gaffel spricht von "grünen Träumen", die die Wirtschaft und die Bürger überfordern. Im aktuellen Bericht zum Energiemonitoring kommen die bayerischen Wirtschaftsvertreter zu dem Schluss, dass die deutsche Energiewende bis 2025 mehr als 500 Milliarden Euro kosten wird, die der Steuerzahler und - vor allem - der Stromkunde aufbringen muss.
In Bamberg steigen die Wasser- und Strompreise
Der Strom wird immer teurer. Hauptpreistreiber ist die EEG-Umlage", sagt Gaffel. Mit der EEG-Umlage (EEG = Erneuerbare Energien Gesetz) werden Wind-, Sonne- und Biomassekraftwerke gefördert. Preistreiber EEG? Diese einfache Rechnung entpuppt sich beim genauen Hinsehen als (nicht einmal) die halbe Wahrheit. Unbestritten ist, dass der Strompreis in Deutschland zu den höchsten in Europa zählt. 2016 zahlte ein Drei-Personen-Haushalt bei einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden (kWh) im Jahr 29,16 Cent für die Kilowattstunde. Teurer ist der Strom nur noch in Dänemark (30,8 Cent), am unteren Ende der Skala rangiert Bulgarien mit 9,4 Cent pro Kilowattstunde.
Fakt ist weiter: In keinem anderen Land ist der "Staatsanteil" am Strompreis so hoch wie in der Bundesrepublik. Steuern, Abgaben und Umlagen machen hier laut Statistischem Bundesamt rund 55 Prozent des Betrages aus, den der Verbraucher am Ende berappen muss. Das liegt zum Teil durchaus auch an der Energiewende, aber eben nicht nur. Aktuell kostet der Strom "blank" 13,11 Cent pro Kilowattstunde (für Erzeugung, Transport und Vertrieb). Der private Kunde zahlt aber 29,16 Cent. Die EEG-Umlage liefert dabei mit 6,88 Cent den größten Aufschlag, aber auch die Konzessionsabgabe, die Stromsteuer, die Umsatzsteuer und weitere Abgaben im Zehntel-Cent-Bereich machen den Strom teurer.
Andere Preistreiber
Aber: Von 2009 bis 2017 stieg der Strompreis für den privaten Endverbraucher um 38 Prozent. Die EEG-Umlage hat sich im gleichen Zeitraum von 1,31 auf 6,88 Cent vervielfacht, sie stieg um 500 Prozent, was nahelegt, dass sie nicht der alleinige "Preistreiber" sein kann.
Noch deutlicher wird das, wenn man den Zeitraum von 2000 bis 2009 betrachtet: In diesen zehn Jahren stieg der Strompreis um 60 Prozent von 13,94 auf 23,21 Cent - bei einem gleichbleibenden Anteil der "Staatskosten" von 40 Prozent. Die EEG-Umlage legte in diesem Zeitraum von 0,20 auf 1,31 Cent zu. Alle Zahlen stammen vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft.
Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends waren es nicht die Steuern und Umlagen, die den Strom verteuert haben, sondern tatsächlich die Erzeugungs- und Netzkosten - eine Folge nicht zuletzt auch der Privatisierung des Strommarktes, auf dem sich heute rund 1100 Anbieter tummeln. Mehr Wettbewerb bedeutet beim Strom nicht automatisch sinkende Preise, da die überregionalen Stromnetze nach wie vor in der Hand weniger Quasi-Monopolisten sind, die sich die Nutzung der Strom-Autobahnen durch Andere üppig vergüten lassen.
Je mehr, desto billiger
Ein zweiter Faktor lässt sich aus der Stromrechnung nicht ablesen: Während der Strom in der Bundesrepublik für die "kleinen" Verbraucher, sprich private Haushalte und Gewerbetreibende, überdurchschnittlich teuer ist, wird er umso billiger, je mehr der Kunde verbraucht. Die energieintensive Industrie in Deutschland - das sind vor allem Betriebe in den Sparten Metall und Chemie - sind weitgehend von Umlagen befreit. Das EEG belastete 2016 die Haushalte mit 8,1 Milliarden Euro, die Industrie mit nur 6,6 Milliarden Euro.
Was wäre ohne Erneuerbare Energie? Der Strom wäre heute nicht billiger, wahrscheinlich sogar teurer. Diese überraschende Aussage kommt nicht von einem Umweltverband, sondern von der Universität Erlangen-Nürnberg. Dort hat Jürgen Karl, der Leiter des Lehrstuhls für Verfahrenstechnik, aus den Daten der Strombörse die "Erneuerbaren" heraus- und den Strommarkt mit den konventionellen Kraftwerken neu berechnet.
Daraus ergab sich nicht nur eine Versorgungslücke während 269 Stunden im Jahr 2013, die ohne Wind und Sonne nicht hätte gedeckt werden können. Der Professor hat auch ausgerechnet, dass durch das EEG zwar Mehrkosten von 20 Milliarden Euro im Jahr 2013 angefallen sind; gleichzeitig wurden durch die alternativen Energien Stromerzeugungskosten von 31 Milliarden Euro eingespart.
"Das im Hinblick auf das Ausmaß der Einsparungen überraschende Ergebnis zeigt, dass die Strompreissteigerungen in den vergangenen Jahren ohne eine Stromerzeugung aus Wind und Photovoltaik sogar noch deutlich höher ausgefallen wären als die Strompreissteigerungen in Folge des EEG", sagt Karl.
Andere Kosten des Stromsektors
Ein letzter Punkt, der mit dafür verantwortlich ist, dass beim Strompreis nur die halbe Wahrheit bekannt ist: Während die "Erneuerbaren" auf der Rechnung ausgewiesen werden, bleiben andere Kosten des Stromsektors unsichtbar. Das "Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft" in Berlin hat in einer Studie für Greenpeace zusammengetragen, wie viel Geld die öffentlichen Kassen für konventionelle Energie ausgeben. Eine "konventionelle Energien-Umlage" würde den Strom um elf Cent pro Kilowattstunde verteuern, schreiben die Wissenschaftler in der Studie.
Strom sparen, Tarife vergleichen, Anbieter wechseln
22 Milliarden Euro werden die privaten Stromkunden im kommenden Jahr voraussichtlich über die EEG-Umlage als Beitrag zur Energiewende bezahlen. Wem das zu viel ist, hat es ein Stück weit selbst in der Hand: Alleine durch den Wechsel zu einem günstigen Stromanbieter oder in einen günstigeren Tarif könnten die deutschen Stromkunden jedes Jahr rund neun Milliarden Euro sparen.
Das geht aus einer Mitteilung des Verbraucherportals Verivox hervor. "Wer sich noch nie um einen günstigeren Stromanbieter gekümmert hat, wird zu den Preisen des Standardtarifs des örtlichen Grundversorgers beliefert. Wer das günstigste Angebot mit fairen Bedingungen wählt, spart aktuell 360 Euro pro Jahr", sagt Mathias Köster-Niechziol, Energieexperte bei Verivox. Laut Bundesnetzagentur beziehen 32 Prozent der Haushalte Strom zu den teuren Bedingungen der Grundversorgung. 43 Prozent haben einen Sondertarif gewählt.
Im kommenden Jahr steigen die Strompreise in Deutschland nur geringfügig. Während von 2016 auf 2017 noch 379 Grundversorger Preisänderungen vorgenommen hatten, werden laut Verivox zum Januar 2018 nur 99 Versorger ihre Preise ändern: 50 Grundversorger kündigen Erhöhungen von durchschnittlich 2,7 Prozent an. 49 Unternehmen werden ihre Preise um durchschnittlich 2,1 Prozent senken.
Andere Sparmöglichkeiten
Dabei wäre noch Luft nach unten: Zum 1. Januar sinken verschiedene staatliche Umlagen, und die Großhandelspreise für Strom sind im Laufe des Jahres um rund drei Prozent gesunken. "Die meisten der über 800 Grundversorger halten die Preise zum Jahreswechsel stabil, obwohl - zumindest regional - die Voraussetzungen für Senkungen gegeben wären", sagt Mathias Köster-Niechziol.
Allerdings: Nicht nur durch Tarifvergleiche lässt sich Geld sparen. Sparsame Lampen und Haushaltsgeräte und das Abschalten von Stand-By-Geräten bieten ein noch größeres Sparpotenzial im Haushalt.