In dieser Woche entscheidet die EU über die Neuzulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat. Der evangelische Pressedienst beschreibt Vor- und Nachteile.
An diesem Mittwoch oder Donnerstag soll in Brüssel über die Neuzulassung von Glyphosat in der EU beraten werden. Das Pflanzenschutzmittel ist hochumstritten. Der Evangelische Pressedienst (epd) sammelt die Argumente im Überblick.
Pro
Vielseitige Anwendung: Glyphosat ist in den 1970er Jahren entwickelt worden. Esvernichtet nicht nur normales Unkraut, sondern kann auch dazu genutzt werden, eingeschleppte Pflanzenarten zu bekämpfen, bevor sie heimische Pflanzen verdrängen. Der Wirkstoff wird rund um die Welt eingesetzt, vor allem in der Landwirtschaft. Daneben ist es für viele andere Einsätze nutzbar: Für Straßenseitenstreifen, in Parks und privaten Gärten. Die Deutsche Bahn benutzt es zur Pflege des Gleisbetts.
Risiko für den Menschen: Viele Wissenschaftler haben sich mit möglichen Gesundheits- und Umweltrisiken von Glyphosat beschäftigt. Bei den Untersuchungen im Rahmen des jetzigen Wiederzulassungsverfahren wurden Hunderte von Studien und Dokumenten ausgewertet. Eine zentrale Rolle spielten das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Am Montag kam die Stimme der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hinzu: Es sei unwahrscheinlich, dass Glyphosat Krebs errege.
In der Landwirtschaft bewährt: Der Deutsche Bauernverband (DBV) macht geltend, dass glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft breite Anwendung finden. Vor anderen Herbiziden habe es voraus, dass jene schneller Resistenzen beim Unkraut hervorrufen können - das Unkraut also nicht mehr auf diese Mittel reagiert, erklärt Katja Börgermann vom DBV. "Eine Eins-zu-eins-Alternative für Glyphosat gibt es nicht."
Bodenschutz: "Für den Schutz des Bodens ist Glyphosat von hohem Wert", sagt Thoralf Küchler von Monsanto, einem der wichtigsten Hersteller von Glyphosatprodukten. Sein Argument: Die Alternative zum Schutz durch Pestizide ist das Pflügen des Bodens. Dabei werde aber die Bodenstruktur zerstört und wertvolle Ackerkrume könne durch Wind und Wasser abgetragen werden. Außerdem werde beim Pflügen Kraftstoff verbraucht und damit klimaschädliches Kohlendioxid frei.
Kontra
Mögliche Risiken: Zwar haben mit BfR und EFSA renommierte Stellen für die Wiederzulassung grünes Licht gegeben. Aber auch die Gegenseite kann viele Studien und Stellungnahmen aufbieten. Mit am prominentesten ist die Warnung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC). Sie stellte im März 2015 fest, dass Glyphosat "wahrscheinlich krebserzeugend bei Menschen" sei. Die Verbraucherorganisation Foodwatch hält vor diesem Hintergrund ein Verbot für unumgänglich: "Das im EU-Lebensmittelrecht geltende Vorsorgeprinzip muss berücksichtigt werden - das heißt: Solange seriöse Hinweise auf gesundheitliche Risiken im Raum stehen, darf Glyphosat nicht weiter auf dem Acker eingesetzt werden."
Rückstände im Menschen: Glyphosat bleibt nicht auf dem Feld, sondern findet sich auch in vielen Menschen. Das ist das Ergebnis einer Studie, bei der im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung der Urin von rund 2000 Bürgern aus Deutschland untersucht wurde. "Demnach liegt bei 75 Prozent der Bürgerinnen und Bürger die Belastung mit mindestens 0,5 Nanogramm/Milliliter um ein Fünffaches höher als der Grenzwert für Trinkwasser", erklärte die Stiftung im März.
Nicht alternativlos: Unkraut lässt sich nicht nur mit Pestiziden oder Umpflügen bekämpfen, macht der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) geltend. Es könne auch ausgerissen werden, wobei Menschen ähnlich wie beim Spargelstechen auf Anhängern über die Felder fahren, erklärt BÖLW-Sprecherin Joyce Moewius. Davon abgesehen müsse bei der Kohlendioxid-Bilanz die energineintensive Produktio von Herbiziden berücksichtigt werden.
Glyphosat und Gentechnik: Wer Bedenken gegen Gentechnik hegt, wird Glyphosat noch skeptischer gegenüber stehen. Denn Gentechnik und Glyphosat sind kombinierbar, wie Greenpeace, aber auch der Agrarkonzern Monsanto, erläutern. Da Glyphosat als Breitbandherbizid sehr viele Pflanzen tötet, werden Nutzpflanzen zum Beispiel in den USA durch Genveränderung resistent gegen das Gift gemacht.
Koalition noch uneinig
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat vor der möglichen Entscheidung über die erneute Zulassung von Glyphosat in der EU seine Ablehnung bekräftigt. "Ich bin der Meinung: Safety first, Gesundheit first. Ich bin dagegen, dieses Produkt überhaupt zuzulassen, solange diese Zweifel nicht ausgeräumt sind", sagte Gabriel am Dienstag in Brüssel.
Das Herbizid ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Unkrautvernichtungsmittel. Es steht im Verdacht, Krebs auszulösen. Am Montag ist ein Entwurf eines Glyphosat-Berichts zweier UN-Organisationen bekannt geworden. Tiertests mit für Menschen relevanten Dosen des Mittels hätten gezeigt, dass Glyphosat bei der Nahrungsaufnahme nicht zu genetischen Zellveränderungen führe. Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass es bei Tests mit Mäusen bei sehr hohen Dosen Krebsverdacht gebe.
Sicherheit verschaffe auch die neue Stellungnahme nicht, sagte Gabriel. "Niemand sagt jedenfalls, dass absolut sicher sei, dass Glyphosat nicht krebserregend sei", sagte der Minister.
Die EU-Zulassung für den Wirkstoff endet am 30. Juni. Die Koalitionspartner der Bundesregierung CDU und SPD sind sich in der Auseinandersetzung um das Unkrautvernichtungsmittel noch uneinig. Experten der EU-Staaten sollen voraussichtlich am Donnerstag entscheiden, ob die Zulassung verlängert werden soll oder nicht.