Druckartikel: Flüchtlinge: EU will auch Alternativrouten schließen

Flüchtlinge: EU will auch Alternativrouten schließen


Autor: Redaktion

Brüssel, Freitag, 11. März 2016

Die Schließung möglicher Alternativrouten, wie von Libyen über das Mittelmeer, soll den Flüchtlingsstrom weiterhin gering halten.
Foto: dpa


Thomas de Maizière mochte seine Zufriedenheit nicht verstecken. "Die Flüchtlingsbewegung entlang der Balkanroute hat nun das Ende erreicht", sagte der Bundesinnenminister, bevor er am Donnerstag mit seinen 27 Amtskollegen zusammentraf, um die EU-Türkei-Deal unterschriftsreif zu machen. Die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge betrage inzwischen "weniger als ein Zehntel der hohen Zahlen im letzten Herbst", fügte er hinzu.

Man arbeite daran, dass "das so bleibt". Deshalb sei es nötig, mögliche Alternativrouten ebenfalls dichtzumachen. Dabei gehe es, so der Minister, beispielsweise um den Weg von Libyen über das Mittelmeer. Denn abgesehen von einigen Anmerkungen waren die meisten Innenressortchefs einverstanden mit den Ergebnissen der Staats- und Regierungschefs - und einig darin, dass jetzt "zuerst den Menschen in Idomeni geholfen werden muss, damit die schrecklichen Bilder endlich vorbei sind", wie es der luxemburgische 1#googleAds#100x100 Migrationsminister Jean Asselborn ausdrückte.


Die Rückführung der Flüchtlinge in die Türkei ist noch unklar

Doch die Details haben es in sich. So ist zum Beispiel noch unklar, wie die Rückführung der Flüchtlinge von den griechischen Inseln Richtung Türkei ablaufen soll. Ankaras Europaminister Volkan Bozkir erklärte am Donnerstag, die hellenischen Inseln müssten erst "geräumt" werden, so dass die Türkei lediglich die Flüchtlinge zurücknehmen werde, die "ab einem bestimmten Datum" illegal auf die Inseln reisten.

Von Genf aus schaltete sich der UN-Hochkommissar für Flüchtlingsfragen (UNHCR), Said Hassan al-Hussein, in die laufende Diskussion ein und bezeichnete das gesamte Vorhaben der Rückführung aller Hilfesuchenden als illegal. "Internationale Garantien für den Schutz der Menschenrechte dürfen nicht umgangen werden", sagte er.

Doch schon zuvor hatte de Maizière Kritik an den geplanten Vereinbarungen mit Ankara zurückgewiesen und dazu aufgefordert, jetzt zu "konstruktiven Schritten zu kommen". An denen, so der Innenminister weiter, würden sich wohl auch die bisherigen Widerständler aus dem Osten der EU beteiligen. Es gebe "erste Signale" in diese Richtung, auch wenn sich vielleicht "am Anfang nicht alle beteiligen".


Erst muss die Türkei die Forderungen erfüllen

Doch der Optimismus, den de Maizière zu verbreiten versuchte, wird nicht von allen Mitgliedstaaten geteilt. Vor allem die seit der Sperrung der Balkanroute umstrittene österreichische Innenministerin Johanna Mickl-Leitner erwartet von der Türkei Vorleistungen, ehe man über einen "umfangreichen Katalog der Gegenforderungen" redet. Die Skepsis der konservativen Wiener Politikerin wird geteilt. So gilt ein Punkt in Brüssel als heikel: die Visa-Liberalisierung, mit der türkische Staatsangehörige schon ab dem Sommer ohne Hindernisse in die EU einreisen können. Selbst de Maizière hatte schon erklärt, "vor dem Inkrafttreten einer Visa-Freiheit müssten alle Kriterien erfüllt sein." Die EU-Kommission scheint bereit, tatkräftig mitzuhelfen.


Kommentar:

Als der EU-Türkei-Flüchtlingspakt angedacht wurde, hieß es noch, ein solches Bündnis zur Eindämmung der Flüchtlingskrise dürfe nicht "um jeden Preis" verfolgt werden. Nun geschieht genau das. Im Kreis der EU-Innenminister gab es zwar ein paar, die aufmuckten und an den Umgang der Türkei mit Presse und Menschenrechten erinnerten. Doch da letztlich das Ergebnis zählt, labte man sich an der Vorstellung, dass der Einbruch des Flüchtlingszustroms über die Balkanroute schon mal ein gutes Zeichen sei - vorausgesetzt, man könne nun auch das des Elends der Hilfesuchenden vor dem Grenzübergang Idomeni lösen.

Dabei käme jeder Anflug von Erleichterung zu früh. Denn auf dem Weg zu einem Abkommen sind noch Hindernisse zu überwinden. Die Türkei will keineswegs alle Flüchtlinge, die jetzt schon auf den griechischen Inseln gestrandet sind, zurücknehmen. Lesbos, Chiros und die anderen Inseln müssen erst geräumt werden. Gleichzeitig soll sich Ankara anstrengen, um die Voraussetzungen für die Visa-Freiheit zu schaffen. Es gibt noch viele Punkte, an denen der Deal scheitern kann.

Bericht und Kommentar von Detlef Drewes