Familiengeld: das gebrochene Versprechen von Markus Söder
Autor: Christoph Hägele
Bamberg, Mittwoch, 05. Dezember 2018
Vor drei Monaten hat Markus Söder in Bamberg einer alleinerziehenden Mutter ein Versprechen gemacht.
Begegnet ist Susanne K. (Name von der Red. geändert) Markus Söder nur ein einziges Mal. Am 6. September dieses Jahres grillte der Ministerpräsident auf dem Gelände der Mediengruppe Oberfranken (MGO) Würstchen und beantwortete mit einer Schürze um den Bauch die Fragen von Lesern. Es war ein Wahlkampfauftritt, wie ihn der gegen sinkende Umfragewerte ankämpfende Ministerpräsident in jenen Tagen schier pausenlos absolvierte.
Viele Fragen waren leicht und locker, andere ernst. Die Frage von Susanne K. war ernst. Es ging ihr um das erst kurz zuvor eingeführte Familiengeld und dessen Anrechnung auf Hartz-IV-Leistungen. "Das Familiengeld wird auch an Bezieher von Hartz-IV-Leistungen in vollem Umfang ausgezahlt", sagte Söder an jenem Nachmittag in Bamberg. Susanne K. ist mit dem Gefühl nach Hause gefahren, dass Söder das regeln werde: "Er hatte es ja versprochen." Ein Vierteljahr später sitzt die 36-Jährige in ihrer Wohnung und sagt: "Herr Söder hat sein Versprechen gebrochen."
Denn noch immer entgehen Susanne K. Monat für Monat 250 Euro. Geld, mit dem sie gerechnet hatte. Geld, auf das sich die alleinerziehende Mutter einer zwei Jahre alten Tochter gefreut hatte. Geld, das die Hartz-IV-Empfängerin aus dem Kreis Haßberge gebrauchen könnte.
"Eine Zweiklassengesellschaft"
Seit September zahlt der Freistaat an alle Eltern von zwei- und dreijährigen Kindern sein Familiengeld. Auch Empfänger von Hartz-IV-Leistungen sollten nach dem Willen der Staatsregierung davon profitieren. Durchsetzen aber kann sie ihren Willen nur bei jenen Arbeitsagenturen, über die der Freistaat selbst die Rechtsaufsicht hat.
Zehn solcher Optionskommunen gibt es im Freistaat. Sie rechnen das Familiengeld nicht auf Sozialleistungen an, sondern zahlen es auch an Hartz-IV-Empfänger in vollem Umfang aus. Hier hat Söder sein Wort gehalten. Wer das Glück hat, von einer Optionskommune betreut zu werden, darf sich auch als Hartz-IV-Empfänger über 250 oder 300 Euro mehr im Monat freuen.
Susanne K. hat das Pech, dass die für sie zuständige Jobcenter unter Rechtsaufsicht des Bundes steht. Zwar bezieht auch Susanne K. 250 Euro Familiengeld. Nur landet davon kein einziger zusätzlicher Cent auf ihrem Konto. Die Bundesagentur zieht das Familiengeld in vollem Umfang von ihren Hartz-IV-Leistungen ab. Jeden Monat erlebt Susanne K. aufs Neue, was der Würstchen grillende Söder als unbegründete Sorge abgetan hatte.
Ein Land, zwei Regelungen
So trennen die konkurrierenden Rechtsauffassungen zwischen Staatsregierung und Bundessozialministerium ausgerechnet den finanziell besonders bedürftigen Teil der bayerischen Eltern in zwei Gruppen. "Bei den einen wird das Geld angerechnet, bei den anderen nicht. Das versteht doch kein Mensch", sagt Susanne K.