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Facebook Paper: Social Media spielt Zeitung


Autor: Tobias Stich

Bamberg, Donnerstag, 06. Februar 2014

Nicht nur liken - lesen! Das könnte der Wahlspruch für Facebooks neue App "Paper" werden. Der Konzern verspricht nicht weniger als eine Revolution in der (sozialen) Mediennutzung - und macht sich damit wohl bald selbst Konkurrenz.
Screenshot: Facebook "Paper" für iPhone / Bearbeitung: Tobias Stich


Der Trailer ist zeitgemäß. Pastellfarben, Blur-Effekte, heiter verklärtes Piano-Geklimper im Hintergrund. Doch was im Video "Introducing Paper" steckt, ist bereits auf den ersten Blick weit mehr als schick präsentierter Katzencontent. Facebooks "Paper" hat einen Auftrag. Die App verfolgt das hehre Ziel, den User wieder zum Lesen zu animieren. Nicht nur die Inhalte der eigenen Chronik werden dabei optisch klar und gut lesbar aufbereitet. Der Trailer verspricht "Nachrichten von Bedeutung".



Die Welt der Medien und die Neuigkeiten aus der eigenen Freundesliste verschmelzen zu einem endlos tiefen Nachrichtenpool, der qualitativ weit mehr bieten soll, als der bislang über die normale Facebook-App dargebrachte Content. Relevante News "in jeder Größe" sollen die Community bereichern - egal ob gewerblich, hobbymäßig oder privat.

Nicht das bloße Bemerken und Liken steht im Vordergrund.

Wie die Geschichte erzählt wird, habe ebenso viel Bedeutung, wie die Geschichte selbst. Die augenscheinlich größte Stärke von "Paper": Usability. Ist die App erst installiert (was offiziell bislang leider nur iPhone-Nutzern mit Verbindung zum US-App-Store möglich ist), verknüpft "Paper" im Hintergrund automatisch das bestehende Facebook-Profil mit der App. Der User legt direkt los, ohne große Erklärungen - und findet sich gut zurecht.

Selten machte es eine App dem Leser einfacher, Nachrichten schnörkellos zu konsumieren. Durch simples Aufklappen öffnen sich die Beiträge direkt im Programm. Die Ladezeiten sind moderat, die Schrift klar und groß, die Präsentation einheitlich. Auch Bilder werden nutzerfreundlicher als in der bisher bekannten Facebook-App eingebunden. Im Hochformat ermöglicht ein Neigungseffekt sogar eine bislang ungewohnte Vollbildansicht, die einer Panoramadarstellung gleicht - ein unhandliches Umgreifen ins Handy-Querformat entfällt. Das alles funktioniert intuitiv, macht Spaß, bedient den haptischen Wohlfühlfaktor.


Eigene Selektion? Fehlanzeige!
Neben der eigenen Chronik (diese beinhaltet weiterhin die Statusmeldungen der Freunde und abonnierter Seiten), führt "Paper" mit diversen Themenwelten den User noch tiefer in die Welt der News. Mit elegantem, horizontalem Wisch gleitet der Leser durch diverse Kategorien, die er in den Einstellungen selbst festlegen kann. Neben Neuigkeiten und Schnipseln aus der Welt der Technik oder der Mode liefert "Paper" auch vergleichsweise sinnlose aber erheiternde Beiträge. Was sich unter "Cute" oder "LOL" versteckt, kann sich jeder selbst denken.

Fraglich bleibt nach der ersten Sichtung aus journalistischer Sicht jedoch, nach welchen Kriterien die Nachrichten in der News-Kachel gefiltert werden und inwieweit Facebook dem User künftig eine eigene, tiefer gehende Selektion ermöglichen wird. Bislang ist der User dem ausgesetzt, was Facebook für richtig hält.

Die nachrichtliche Vielfalt beschränkt sich auf 40 "Partner", die redaktionellen Content liefern - von der "Los Angeles Times" bis zur "Huffington Post". Die Frage, die sich jeder User hier stellen muss, ist, ob er nur von Facebook gefilterte, von Anbietern "bezahlte" News vorgesetzt bekommen möchte. Das könnte in den Augen vieler Leser ein Nachteil der schönen neuen "Paper"-Welt werden.