Einwanderung in den 80er Jahren: So wurde eine türkische Familie zu echten Forchheimern
Autor: Irmtraud Fenn-Nebel
Forchheim, Donnerstag, 10. Oktober 2019
Mitte der 1950er Jahre hatte das Wirtschaftswachstum zu einem Arbeitskräftemangel geführt und die Bundesrepublik begonnen, Arbeitskräfte im Ausland zu suchen.
Wie so viele seiner Landsleute brach Memet Karabag 1969 als türkischer Gastarbeiter nach Deutschland auf. "Ganz klassisch mit einem gebrauchten Auto und jeder Menge Gepäck auf dem Dach", erzählt sein Sohn 50 Jahre später und schmunzelt beim Gedanken an dieses Bild.
Mitte der 1950er Jahre hatte das Wirtschaftswachstum zu einem Arbeitskräftemangel geführt und die Bundesrepublik begonnen, Arbeitskräfte im Ausland zu suchen. 1961, als der Anwerbevertrag mit der Türkei geschlossen wurde, kamen auf 180 000 Arbeitslose 550 000 offene Stellen. Die Arbeitsverträge für die so genannten "Gastarbeiter" waren befristet; viele kamen ohne Familie. Zunächst.
Bruder Atila ist in Deutschland geboren
Nach einem ersten Einsatz in Hannover zog Metins Vater nach Forchheim. 1972 holte er seine Frau und den kleinen Jungen nach - ein Jahr, bevor die Bundesregierung den Anwerbestopp verhängte. Damals lebten rund vier Millionen Ausländer in Deutschland. "Man konnte nur jemanden nachholen, wenn die Wohnung entsprechend groß war", sagt Metin Karabag. Deshalb kamen seine beiden älteren Schwestern erst sechs Jahre nach ihm. Dann war auch genug Platz für ein viertes Kind. "Mein Bruder Atila ist in Deutschland geboren."
Die Türken sind gut integriert
In den 80ern lebten viele "Gastarbeiter" bereits seit Jahrzehnten hier mit ihren Familien, nun wurde laut ausgesprochen, was vorher ein Tabu war: Deutschland war ein Einwanderungsland. Gleichzeitig begann die Wirtschaft zu kriseln - und Migration wurde heftig diskutiert. Es ging beispielsweise darum, ob Ausländer den Deutschen die Arbeitsplätze "wegnehmen".
"Wir hatten nie Probleme", sagt Karabag. "Wir sind alle richtige Forchheimer. Die Türken sind hier gut integriert." Karabags lebten in Forchheim als einzige türkische Familie unter deutschen Nachbarn. "Ich hatte viele deutsche Freunde und lernte die Sprache schnell."
Die Kinder sollten es besser haben
Metin war von 1976 bis 1979 wieder in die Türkei gegangen, wohnte bei einem Onkel und machte dort seine Mittlere Reife. Sein geplantes Studium konnte er wegen militärischer Auseinandersetzungen nicht beginnen, "das war zu gefährlich damals". Zurück in Forchheim lernte er Schlosser, absolvierte die Technikerschule und arbeitete viele Jahre bei der Firma Leistritz. "In den 80er Jahren war es für Türken schwierig, einen Beruf zu lernen", sagt Karabag. "Meine Eltern wollten, dass wir etwas lernen und studieren."
Das war auch der Grund, warum die Familie in Deutschland blieb und nicht in die Türkei zurückkehrte. Eine Schwester ist Angestellte, die andere selbstständig im Textilhandel. Bruder Atila hat promoviert und ist SPD-Stadtrat in Forchheim. "Ich habe auch schon für den Stadtrat kandidiert", berichtet Metin Karabag. Für ihn die logische Folge seiner langjährigen ehrenamtlichen Tätigkeit und seines Bekanntheitsgrades: 15 Jahre lang war er Vorsitzender des türkischen Kulturvereins in Forchheim.