Ein Franke jagt die Wett-Mafia
Autor: Tobias Köpplinger
, Donnerstag, 07. Februar 2013
Der Unterfranke Detlev Zenglein überwacht Wettquoten, wertet Quellen aus und beobachtet Geldflüsse. Er ist der Geschäftsführer des Frühwarndienstes Early Warning Systems der FIFA und soll Spielmanipulation erkennen - in Asien besonders schwierig.
Korrupte Funktionäre, gekaufte Spieler, verschobene Partien. Die Organisierte Kriminalität mischt bei Fußballwetten mit, manipuliert Spiele. Der Unterfranke Detlev Zenglein ist der General Manager der FIFA-Tochter Early Warning Systems. Er erklärt, wie er und seine Mitarbeiter Wettbetrügern auf die Spur kommen und wo die Probleme der Überwachung liegen.
War der Montag ein schwarzer Tag für den europäischen Fußball?
Detlev Zenglein: Der Montag nicht. Die Fälle, die Europol dargestellt hat, erstrecken sich auf drei Untersuchungsjahre. Die präsentierten Ergebnisse sind fast alle schon bekannt. Zum Beispiel der Bochum-Fall mit den 60 manipulierten Spielen. Für jemanden, der sich mit dem Thema auseinander setzt, ist die Europol-Meldung nur das Sahnehäubchen auf einem Prozess, der uns seit Jahren verfolgt.
Trotzdem kam die Europol-Meldung überraschend?
Wir haben am Freitag von der Pressekonferenz erfahren, der Inhalt war uns bis Montag komplett unbekannt. Für uns war das unangenehm: Wir saßen bei einem Interpol-Workshop in der Türkei und sprachen über Kommunikation, Koordination, Erfahrungs- und Informationsaustausch. Und dann kommt diese Pressekonferenz. So etwas führt alle Anstrengungen, sich zu koordinieren ad absurdum. Natürlich existiert das Problem der Spiel-Manipulation weltweit. Aber wenn das ein schwarzer Tag ist, dann ist jeder meiner Arbeitstage ein schwarzer Tag.
Warum sind Fußball-Wetten so ein lukratives Geschäft?
Weil Fußball auf dem internationalen Wettmarkt nach unserer Kenntnis 70 bis 80 Prozent des Gesamtvolumens ausmacht. Fußball wird überall auf der Welt gewettet, auch in den Wettmärkten, die für Manipulatoren interessant sind. In Asien entfallen 80 bis 90 Prozent der Wetten auf Fußball. Asiatische Buchmacher bieten nur zwei Quoten an: Man wettet auf Sieg oder Niederlage, oder wie viele Tore in einem Spiel fallen. Diese Wetten werden am häufigsten manipuliert. Wer die richtigen Kontakt hat, kann auf ein Spiel 100.000 Euro wetten. Das geht in Europa nicht. Fußball ist in Asien der lukrativste Markt für Manipulationen...
...und das größte Problem der Kontrolleure?
Ja, weil der Wettanbieter, der das Geld annimmt, nicht weiß, wo es herkommt. Die Nachverfolgung ist viel komplizierter als in Europa. Ein weiteres Problem ist der völlig unregulierte Markt in China. Dort ist es noch verboten zu wetten, aber Prohibition funktioniert auch bei Sportwetten nicht. Dort existieren Schwarzmärkte, die für uns und die Polizei komplett intransparent sind.
Wie funktioniert das Kontrollsystem der FIFA?
Wir arbeiten auf drei Ebenen: Wir schließen Kooperationsvereinbarungen mit Wettanbietern auf der ganzen Welt. Derzeit sind es etwa 400, die Informationen mit uns austauschen. Die Anbieter sind lizenziert, in der Regel kommt es hier kaum zu Manipulationen. Daneben betreuen wir Informanten und Insider weltweit, die uns erste Indizien liefern. Am wichtigsten für uns ist aber die technische Ebene. Wir sammeln momentan Wettangebote von 250 Anbietern weltweit, da sind auch die größten asiatischen dabei. Wir können in Echtzeit verfolgen, welche Wetten auf die von uns überwachten Spiele getätigt werden. Wir sehen, wie sich die Quoten verändern, und das ist immer ein Indikator für große Geldflüsse. Aber wir sind eine FIFA-Tochter: Wir haben den Auftrag, uns auf FIFA-Wettbewerbe zu konzentrieren.
Auch hier soll es Manipulationen gegeben haben, der Vorwurf lautete in den letzten Tagen: FIFA und UEFA seien blind.
Außenstehende vermischen das oft: Wenn Wettskandale im Fußball auftauchen, müsse das die FIFA wissen. So ist es nicht. Das FIFA-Konstrukt ist so ausgerichtet, dass alle Mitgliedsverbände autonom und für ihr eigenes Land zuständig sind. Die FIFA bietet Hilfestellung und gibt den groben Rahmen vor. Die Fifa ist nicht in der Position zu sagen, wir kümmern uns um den Fußball in Brasilien, Kolumbien oder Panama, wo es vielleicht gerade spannend wäre. Die FIFA kann den brasilianischen Fußballverband beispielsweise nur auffordern etwas zu tun, sie kann ihn nicht verpflichten.
Also war das nicht der letzte Manipulations-Skandal?
Nein. Spielmanipulation und Wettbetrug gelten mittlerweile als die größten Bedrohungen für den Sport. Auch Polizei und Behörden setzen sich mit diesem Phänomen auseinander. Ich würde mir wünschen, dass die Zusammenarbeit etwas koordinierter ablaufen würde. Das Organisierte Verbrechen orientiert sich in Richtung Spielmanipulation, weil die Chancen angesichts der kleinen Risiken viel größer sind, als zum Beispiel beim Drogenschmuggel.
Also brauchen wir höhere Strafen bei Spielmanipulation?
Die stehen aber in keinem Verhältnis. Man kann niemanden zehn Jahre in den Knast stecken, weil er ein paar Leute bestochen hat. Das ist das Problem: Erfolgsaussichten und Rendite sind zu hoch und die Abschreckung eher gering.
Wie könnte dann die Lösung aussehen?
Die Sportverbände und wir arbeiten daran, Spieler, Schiedsrichter und Offizielle zu unterstützen. Unser Ansatz lautet Prävention und Aufklärung: Osteuropäische Spieler, die zwar professionelle Fußballer sind, aber nur ein "Handgeld" bekommen, sind anfällig, wenn jemand 5000 Euro für eine Manipulation bietet. Hier müssen wir den Spielern klar machen, dass sie ihre Karriere kaputt machen, wenn sie das Geld nehmen. Die Spieler müssen über den Tellerrand schauen, weg vom schnellen Geld. Wer Geld nimmt und erwischt wird, versaut sich seine Karriere für immer.