Die grüne Qual: Was tun wenn der Körper überreagiert?
Autor: Matthias Litzlfelder
Bamberg, Freitag, 29. Mai 2015
Tränende Augen und laufende Nasen: Allergiker haben es schwer in den Sommermonaten. Ihr Immunsystem empfindet Pollen als Bedrohung. 15 Prozent der Deutschen verhalten sich Pollen gegenüber allergisch. Der Klimawandel verstärkt das Problem. Zumindest gibt es Möglichkeiten gegenzusteuern.
Für manche Menschen ist die schlimmste Zeit des Jahres schon überstanden. Wer allergisch auf Birkenpollen reagiert, hat seit heute aller Wahrscheinlichkeit nach Ruhe. So jedenfalls weist es die Übersicht des Deutschen Polleninformationsdienstes aus. Auf der Grundlage der Pollenflugdaten der vergangenen Jahre hat die Stiftung die voraussichtlichen Flugzeiten für dieses Jahr errechnet. In Süddeutschland endet demnach die Saison für Birkenpollen am 30. Mai.
"Die Saison der Birkenpollen in diesem Jahr war intensiv, aber kurz. Vor allem Mitte April traten die Pollen verstärkt auf. Jetzt ist dies überstanden", berichtet Professor Axel Trautmann, Leiter des Allergiezentrums Mainfranken am Universitätsklinikum Würzburg.
Überhaupt war diese Saison für die Birkenpollenallergiker nicht so schlimm wie 2014. Die Konzentration der Pollen im vergangenen Jahr war höher.
Eine Birke hat ungefähr jedes zweite Jahr ein Mastjahr, während zum Beispiel die Buche ungefähr jedes fünfte bis siebte Jahr stark blüht.
Harmlose Fichtenpollen
Auch in diesem Jahr gibt es einen Baum, der so intensiv blüht, dass man seinen hellgelben Blütenstaub in weiten Teilen Süddeutschlands sehen kann: die Fichte. Wie eine Staubdecke haben sich die Fichtenpollen in manchen Gegenden abgelagert. Alle drei bis vier Jahre blüht die in Bayern sehr häufig anzutreffende Baumart. Allergiker werden vom Blütenstaub der Fichte allerdings kaum beeinträchtigt. Fichtenpollen lösen keine Überreaktion aus, allenfalls hier und da einen Niesreiz.
Doch was ist überhaupt eine Allergie? Das Wort stammt aus dem Griechischen und setzt sich zusammen aus "allos" (anders) und "ergein" (reagieren). Ein Allergiker reagiert also anders als erwartet. Wir verstehen heute unter "Allergie" eine verstärkte Abwehrreaktion gegenüber an sich harmlosen Substanzen, quasi eine Überempfindlichkeit. Häufig betroffen sind Haut und Schleimhäute, also die Grenzflächen und Kontaktorgane zur Umwelt.
Ein Kitzeln in der Nase und zudem ein Brennen in den Augen sind erste Anzeichen einer Pollenallergie. 15 Prozent der Deutschen reagieren bereits auf Pollen allergisch. Und wer die Berichte über Pollenallergien verfolgt, hat den Eindruck, dass die Zahl der Betroffenen ständig zunimmt.
Axel Trautmann vom Allergiezentrum Mainfranken will das so nicht ganz bestätigen. "Wir haben keinen Anstieg der Allergiefälle vom vergangenen zu diesem Jahr. Es gab aber einen kontinuierlichen Anstieg von den 1970er bis zu den 2000er Jahren. Jetzt scheint es, als ob wir ein Plateau erreicht haben", sagt der Allergologe.
Wenn auch bei den Birkenpollenallergikern für heuer Ruhe eingekehrt ist: Wer auf den Pollenflugkalender blickt, merkt schnell: Irgendetwas fliegt immer in den Sommermonaten. Im Moment sind es verstärkt Gräserpollen.
Heuschnupfen, wie die Pollenallergie vor Jahrzehnten genannt wurde, als nur wenige Menschen während der Heuernte eine schnupfenartige Reaktion zeigten, ist nicht nur lästig, sondern kann auch gefährlich werden. Das ist dann der Fall, wenn sich die Beschwerden von Nase, Augen und Mund in die Bronchien verlagern. In vier von zehn Fällen kann Heuschnupfen zu Asthma führen. "Wenn man die Entzündung nicht kontrolliert, wird das Gewebe steifer. Die Folge ist eine eingeschränkte Lungenfunktion", warnt Carsten Schmidt-Weber, Leiter des Zentrums für Allergie und Umwelt in München. Was aber Allergikern das Leben zunehmend erschwert, ist eine Pflanze, die aus Nordamerika eingewandert ist und sich in Teilen Europas schon gewaltig ausgebreitet hat: die Beifuß-Am brosie (Ambrosia artemisiifolia).
Klimawandel stärkt Ambrosia
Jüngst hat ein europäisches Forscherteam in einer Computersimulation berechnet, dass sich die Konzentration von Ambrosia-Pollen in der Luft bis zum Jahr 2050 voraussichtlich vervierfachen wird. Der Name dieses Traubenkrauts geht vermutlich zurück auf die antike Speise und Salbe der Götter. Wohl aufgrund des intensiven Blattgeruchs gab man der Pflanze den botanischen Gattungsnamen Ambrosia.
Stark begünstigt wird die Ausbreitung dieses Traubenkrauts vom Klimawandel. Allerdings, so schreiben die Forscher im Fachmagazin "Nature Climate Change", gehe über ein Drittel des Pollenanstiegs auf das Konto der ständigen Verbreitung der Samen. Ärgerlich: Weil die Pflanze spät im Jahr blüht, belästigt sie Allergiker bis in den Herbst hinein.
Bekämpfung der Symptome mit Antihistaminika
Eigenschaften Antihistaminika sind Medikamente mit antiallergischen Wirkstoffen. Diese heben die Effekte der körpereigenen Substanz Histamin auf. Antihistaminika lindern so Beschwerden wie beispielsweise Juckreiz, Niesreiz, laufende Nase, Rötung, Schwellung und Augentränen.
Nebenwirkungen Frühere Medikamente lösten als unerwünschte Wirkung Müdigkeit aus. Bei der neueren Generation soll das nicht mehr der Fall sein.
Entdeckung Die ersten Antihistaminika wurden in den 1930er Jahren entdeckt.
Pollenallergie: Das sind die Therapiemöglichkeiten
Aus irgendwelchen Gründen empfindet das Immunsystem von Allergikern die Pollen als Bedrohung. Warum das so ist? "Das ist die Frage, die noch nicht vollumfänglich geklärt ist", sagt Professor Axel Trautmann, Leiter des Allergiezentrums Mainfranken in Würzburg. Es gebe aber einen genetischen Hintergrund.
Wer eine gewisse Veranlagung zu allergischen Reaktionen genetisch mitbekommt, hat Pech gehabt. Dagegen lässt sich nichts machen. Mittlerweile vermehren sich aber die Hinweise, dass auch die Hygiene als Ursache für Allergien in Frage kommt. Was nicht bedeutet, dass man alles besonders sauber halten sollte. Im Gegenteil. "Die Säuglinge unserer Vorfahren krabbelten auf dem Boden und hatten Kontakt mit Tieren und Fäkalien. So eine schmutzige Umgebung war anscheinend allergiehemmend", sagt Trautmann.
Also einfach mehr Dreck im Leben? So weit will Trautmann dann doch nicht gehen. "Zur Allergievorbeugung im Zusammenhang mit der Hygienehypothese wird intensiv geforscht, die bis jetzt vorliegenden Daten erlauben aber noch keine dementsprechenden Empfehlungen", berichtet er. Empfohlen wird von Medizinern die Hyposensibilisierung. Dabei wird dem Patienten in immer größeren Dosen sein Haupt-Allergen verabreicht, meist unter die Haut gespritzt. So gelingt es, den Körper langsam an das Allergen zu gewöhnen.
Trautmann hält auch kortisonhaltige Nasensprays für "sehr sicher und extrem wirksam". "Das wurde in vielen klinischen Studien nachgewiesen. Das kann man so oft sagen wie man will, aber Kortison-Gegner wollen das nicht hören. Kortison-Angst ist immer noch weit verbreitet", stellt der Allergie-Experte fest. Auch Antihistaminika hätten "ein sehr gutes Nutzen-Nebenwirkungs-Profil".
Nichts hören will der Würzburger Mediziner von Ernährungstheorien, etwa der Empfehlung, auf tierische Eiweiße zu verzichten. "Eine zu eiweißreiche Ernährung ist ungesund, aber mit Allergien hat das nichts zu tun", sagt Trautmann.
Rudolf Eckert sieht das ein wenig anders. "Der Eiweißanteil im Speiseplan der Industrienationen ist viel zu hoch, mehr als die Natur für uns Menschen vorsieht", sagt der promovierte Facharzt für Allgemeinmedizin aus Buttenheim (Landkreis Bamberg). Er geht davon aus, dass auch dadurch Allergien zunehmen. "Bei der Pollenallergie reagieren spezifische Antikörper mit Eiweißbestandteilen der Pollen. Diese Antigen-Antikörper-Reaktion spielt sich rein im Eiweißstoffwechsel ab. Das ist der Grund, weshalb eine Entlastung der Eiweißzufuhr schon bald eine Verbesserung der allergischen Beschwerden mit sich bringt", so Eckerts Meinung. Auch übermäßigen Konsum zuckerhaltiger Nahrungsmittel und Getränke sieht der Hausarzt als Problem.
"So eine skurrile Einzelmeinung entbehrt aktuell jeder wissenschaftlichen Grundlage", sagt dazu Trautmann. Doch Eckert sieht das gelassen. "Bei mir selbst hat es geholfen, und auch Patienten haben mir gemeldet, dass sich ihr Zustand dadurch nach einigen Wochen gebessert hat." Es sei "einen Versuch wert, den Konsum an tierischem Eiweiß einzuschränken".
Was die Vorbeugung angeht, damit man erst gar nicht zum Allergiker wird, so gibt es für Erwachsene bis jetzt nahezu keine offiziellen Empfehlungen. Mehr als experimentelle Ansätze sind in der Forschung nicht vorhanden. Allergie-Experte Trautmann empfiehlt allerdings bei Babys eine Stillzeit von sechs Monaten und auf das Halten von Katzen im ersten Lebensjahr zu verzichten. "Auch Tabakrauch erhöht das Allergierisiko, beide Eltern sollten bereits während der Schwangerschaft darauf verzichten", warnt Trautmann.
Hyposensibilisierung
Immuntherapie Sie ist die einzige anerkannte Behandlungsmethode, die die Ursache der Allergie bekämpft. Andere Ansätze (zum Beispiel Antihistaminika) bekämpfen ausschließlich die Symptome.
Vorgehensweise Das bestimmte Allergen wird in steigender Dosis unter die Haut gespritzt.
Dauer Die Behandlung sollte im Herbst vor dem nächsten Pollenflug begonnen und dann über drei bis fünf Jahre fortgeführt werden.
Wirkung Der Körper soll sich so an die Allergie-Auslöser gewöhnen.
Kommentar von Matthias Litzlfelder: Geduld ist gefragt
Wer merkt, dass sich bei ihm Symptome einer Pollenallergie zeigen, sollte einen Termin bei seinem Hausarzt vereinbaren. Diese Anlaufstelle auszulassen, wäre töricht. Ohne ärztliche Behandlung droht die Gefahr, dass sich die Allergie zu einem allergischen Asthma auswächst.
Um die Allergie langfristig in den Griff zu kriegen, ist dann aber Geduld nötig. Es gibt leider noch kein Allheilmittel: Wer vom Heuschnupfen geplagt wird, muss viel Energie aufbringen, um die für ihn geeignete Therapie zu finden. Dem einen hilft eine Hyposensibilisierung sofort, der andere wartet vergeblich auf Besserung.
Es ist daher nicht verwerflich, wenn andere Methoden ausprobiert werden. Wer seine Essgewohnheiten umstellt und sich fortan gesünder ernährt, mag falsch liegen, was sein Allergieproblem angeht. Insgesamt schadet ein gesünderer Lebensstil ihm aber nicht und hilft ihm anderweitig, Krankheiten zu vermeiden.
Überhaupt sollten wir sensibler sein mit dem, was uns vorgesetzt wird. Gentechnisch veränderte Lebensmittel dieses Risiko braucht niemand.